Sozialversicherungsgericht

des Kantons Zürich

KV.2024.00001


II. Kammer

Sozialversicherungsrichterin Romero-Käser als Einzelrichterin
Gerichtsschreiber Wilhelm

Urteil vom 6. Dezember 2024

in Sachen

1. X.___


2. Y.___

vertreten durch den Ehemann X.___


Beschwerdeführende


gegen


Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Prämienverbilligung

Röntgenstrasse 17, Postfach, 8087 Zürich

Beschwerdegegnerin







Sachverhalt:

1.

1.1    X.___, geboren 1966, und seine Ehefrau Y.___, geboren 1970, stellten am 12. August 2020 für das kommende Jahr Antrag auf Verbilligung ihrer Prämien für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (individuelle Prämienverbilligung; Urk. 5/66). Mit Überweisungsanzeige vom 13. November 2020 setzte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Prämienverbilligung (nachfolgend: Durchführungsstelle), die Versicherten darüber in Kenntnis, aufgrund der provisorischen Berechnung erhielten sie beide eine Prämienverbilligung in der Höhe von je Fr. 1'750.80 (total Fr. 3'501.60) ausbezahlt (Urk. 5/67). Mit Verfügung vom 1. Mai 2023 setzte die Durchführungsstelle die Prämienverbilligung für das Jahr 2021 definitiv auf Fr. 0.-- fest und forderte die bereits ausbezahlte Prämienverbilligung in der Höhe von Fr. 3'501.60 zurück (Urk. 5/79).

1.2    Mit am 31. Mai 2023 bei der Durchführungsstelle eingegangener Eingabe stellten die Versicherten ein Gesuch um Erlass der mit Verfügung vom 1. Mai 2023 festgesetzten Rückforderung in der Höhe von Fr. 3'501.60 (Urk. 5/81). Dieses wies die Durchführungsstelle mit Verfügung vom 15. September 2023 ab (Urk. 5/85). Dagegen erhoben die Versicherten am 9. Oktober 2023 Einsprache (Urk. 5/87). Diese wies die Durchführungsstelle mit Einspracheentscheid 21. November 2023 ab (Urk. 5/95 = Urk. 2).


2.    Gegen den Einspracheentscheid vom 21. November 2023 (Urk. 2) erhoben die Versicherten mit Eingabe vom 21. Dezember 2023 Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei ihnen die Rückforderung in der gesamten Höhe zu erlassen (Urk. 1). Die Durchführungsstelle beantragte in der Beschwerdeantwort vom 25. Januar 2024 die Abweisung der Beschwerde (Urk. 4). Dies wurde den Beschwerdeführenden am 2. Februar 2024 zur Kenntnis gebracht (Urk. 6).



Die Einzelrichterin zieht in Erwägung:

1.    Da der Streitwert Fr. 30’000.-- nicht übersteigt, fällt die Beurteilung der Beschwerde in die einzelrichterliche Zuständigkeit (§ 11 Abs. 1 des Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht; GSVGer).


2.

2.1

2.1.1    Gemäss Art. 65 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) gewähren die Kantone Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen. Sie bezahlen den Beitrag für die Prämienverbilligung direkt an die Versicherer, bei denen diese Personen versichert sind. Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auf Antrag der versicherten Person, die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden (Art. 65 Abs. 3 KVG).

    Für den Vollzug der Prämienverbilligung sind die Kantone zuständig. In ihren Ausführungserlassen zu Art. 65 KVG haben sie die Anspruchsberechtigung sowie das Verfahren für die Ermittlung der Berechtigten, die Festsetzung und die Auszahlung der Beiträge zu bestimmen. Nach der Rechtsprechung geniessen die Kantone eine erhebliche Freiheit in der Ausgestaltung der Prämienverbilligung, indem sie etwa autonom festlegen können, was unter «bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen» zu verstehen ist. Deshalb stellen die von den Kantonen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung grundsätzlich autonomes kantonales Ausführungsrecht zu Bundesrecht dar (BGE 136 I 220 E. 4.1, 134 I 313 E. 3 mit weiteren Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts 8C_345/2015 vom 9. Dezember 2015 E. 3.1).

    Im Kanton Zürich traten am 1. April 2020 das neue Einführungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz vom 29. April 2019 (EG KVG) zusammen mit einer neuen Verordnung zum EG KVG vom 25. März 2020 (VEG KVG) in Kraft. Gemäss ihrer Schlussbestimmung § 62 ist die neue VEG KVG erstmals für das Prämienverbilligungsjahr (Anspruchsjahr) 2021 anwendbar.

2.1.2    Das EG KVG und die VEG KVG sehen ein System von provisorischer und definitiver Prämienverbilligung vor. Bei der provisorischen Festlegung der Prämienverbilligung, welche in der Regel noch vor Beginn des jeweiligen Anspruchsjahres erfolgt (vgl. § 18 Abs. 3 EG KVG), bestimmt sich das massgebende Einkommen nach der aktuellsten Steuereinschätzung (§ 9 Abs. 1 EG KVG; § 6 Abs. 1 VEG KVG). Liegt keine den Anforderungen genügende Steuereinschätzung vor, wird auf die aktuellste Steuererklärung abgestellt (Abs. 2). Liegt auch keine Steuererklärung vor, wird auf andere Ausweise über das Einkommen abgestellt (Abs. 3). Die SVA überweist sodann den Versicherern 60-80 % der nach diesen Bestimmungen bestimmten (provisorischen) Prämienverbilligung (§ 19 Abs. 1 EG KVG). Liegt schliesslich die Steuereinschätzung für das Anspruchsjahr vor, bestimmt die SVA gestützt darauf die Prämienverbilligung definitiv und gleicht die Differenz mit dem Versicherer aus (§ 19 Abs. 2 EG KVG; § 6 Abs. 3 VEG KVG). Ist die definitive Prämienverbilligung höher als die vergütete provisorische Prämienverbilligung, wird dem Krankenversicherer die Differenz zuhanden der versicherten Person vergütet. Ist sie tiefer, wird dem Krankenversicherer die Differenz zulasten der versicherten Person in Rechnung gestellt (§ 27 Abs. 5 VEG KVG).

2.2    Gemäss § 32 EG KVG gilt für die Ausrichtung von Prämienverbilligungen das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG).

2.3

2.3.1    Nach Art. 25 Abs. 1 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt. Dabei wird die Rückerstattung ganz oder teilweise erlassen (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts; ATSV).

2.3.2    Nach der Rechtsprechung ist der gute Glaube nicht schon bei Unkenntnis des Rechtsmangels gegeben. Vielmehr darf sich der Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin nicht nur keiner böswilligen Absicht, sondern auch keiner groben Nachlässigkeit schuldig gemacht haben. Der gute Glaube als Erlassvoraussetzung entfällt somit einerseits von vornherein, wenn die zu Unrecht erfolgte Leistungsausrichtung auf eine arglistige oder grobfahrlässige Melde- oder Auskunftspflichtverletzung zurückzuführen ist. Anderseits kann sich die rückerstattungspflichtige Person auf den guten Glauben berufen, wenn ihr fehlerhaftes Verhalten nur leicht fahrlässig war (BGE 138 V 218 E. 4, 112 V 97 E. 2c).


3.

3.1    Die Beschwerdegegnerin führte zur Begründung ihres Einspracheentscheides vom 21. November 2023 aus, mit Verfügung vom 15. September 2023 sei das Gesuch um Erlass der Rückerstattung der Prämienverbilligung im Betrag von Fr. 3'501.60 abgewiesen worden. In der Einsprache sei zur Begründung des Erlassgesuches auf verschiedene Umstände wie Stellenverlust, gesundheitliche Probleme und bestehende Steuerschulden hingewiesen worden. Zu beachten sei, dass die Beschwerdeführenden ausdrücklich darauf hingewiesen worden seien, dass sich ein höheres Jahreseinkommen auf den Anspruch auf individuelle Prämienverbilligung auswirken werde. Auch wenn in dieser Situation nicht etwa von böser Absicht gesprochen werden könne, so liege gleichwohl kein gutgläubiger Bezug der ausbezahlten Leistung vor. Damit sei eine der kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für einen Erlass nicht erfüllt, weswegen dem Gesuch nicht stattgegeben werden könne (Urk. 2 S. 1 f.).

3.2    Wie schon im Einspracheverfahren (Urk. 5/87) machten die Beschwerdeführenden in ihrer Beschwerde vom 21. Dezember 2023 geltend, grundsätzlich sei der Beschwerdeführende 1 Alleinverdiener und müsse sämtliche Auslagen finanzieren. Vor Kurzem habe er seine Arbeitsstelle verloren. Zwar habe er eine neue Stelle antreten können, jedoch sei es gleichwohl zu finanziellen Ausfällen gekommen. Hinzu kämen das Jahr 2021 betreffende Steuerschulden, die in Raten abbezahlt werden müssten. Dies führe zu einer zusätzlichen Belastung. Darüber hinaus erhole der Beschwerdeführende 1 sich von den Folgen eines Schlaganfalls, wobei eine baldige Genesung noch nicht absehbar sei. Auch aus diesem Grund bleibe die finanzielle Lage schwierig. Die ausgerichtete Prämienverbilligung sei in gutem Glauben entgegen genommen und für die laufenden Auslagen verwendet worden. Die Rückforderung führe insgesamt zu einer grossen Härte (Urk. 1).


4.

4.1    Der am 13. November 2020 angezeigten Überweisung der Prämienverbilligung für das Jahr 2021 in der Höhe von Fr. 3'501.60 (Urk. 5/67) liegt eine provisorische Berechnung zu Grunde. Mithin stand selbige unter dem Vorbehalt der späteren definitiven Festsetzung. Darauf wurde in der Mitteilung an die Beschwerdeführenden auch explizit hingewiesen (Urk. 5/67/1). Die Beschwerdeführenden mussten mithin im Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Schreibens vom 13. November 2020 und der hernach ausbezahlten Prämienverbilligung aufgrund der provisorischen Natur damit rechnen, dass diese oder Teile davon gegebenenfalls der Rückerstattung unterliegen können. Unter diesen Umständen können sich die Beschwerdeführerin, selbst wenn ihnen keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorzuwerfen wäre, von vornherein nicht auf den guten Glauben berufen.

4.2    Das Erfordernis des guten Glaubens bedeutet nicht, dass die Beschwerdeführenden die Leistung nicht hätten entgegennehmen dürfen. Indessen folgt daraus, dass ihnen klar sein musste, dass gegebenenfalls auf die erbrachte Leistung zurückgekommen würde, sie provisorisch und damit unter Vorbehalt einer allfälligen späteren Rückforderung erfolgte. Entsprechend kann der Rückforderung aufgrund der definitiven Festsetzung der Prämienverbilligung nicht mit dem Hinweis auf einen gutgläubigen Empfang entgegengetreten werden. Der Umstand, dass die Prämienverbilligung zunächst provisorisch festgesetzt wurde, schliesst einen gutgläubigen Bezug als Erlassvoraussetzung von Beginn an aus. Der Hinweis der Beschwerdegegnerin in der Verfügung vom 1. Mai 2023, mit welcher die Prämienverbilligung 2021 definitiv festgesetzt worden war, es könne, sobald die Verfügung rechtskräftig geworden sei, ein begründetes Erlassgesuch eingereicht werden, welches bei gutgläubigem Bezug und gleichzeitigem Vorliegen einer grossen Härte bewilligt werde (Urk. 5/79/2), erweist sich unter den gegebenen Gesichtspunkten als irreführend. Da ein gutgläubiger Bezug von provisorischen Leistungen grundsätzlich ausgeschlossen ist, besteht keine Möglichkeit eines Erlasses der Rückforderung. Bereits aus diesem Grund ist demgemäss unerheblich, dass die Beschwerdeführenden ihren Angaben zufolge in knappen finanziellen Verhältnissen leben. Die Erlassvoraussetzung der grossen Härte, auf die in der Beschwerdeschrift in erster Linie Bezug genommen wurden, ist nicht näher zu prüfen.

4.3    Die Beschwerdegegnerin verneinte zusammengefasst die Erlassvoraussetzung des guten Glaubens im Ergebnis zu Recht. Demnach erweist sich der angefochtene Entscheid als rechtens, was zur Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde führt.



Die Einzelrichterin erkennt:

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Das Verfahren ist kostenlos.

3.    Zustellung gegen Empfangsschein an:

- X.___

- Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich, Prämienverbilligung

- Bundesamt für Gesundheit

4.    Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebenten Tag vor Ostern bis und mit dem siebenten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit dem 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).

    Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.

    Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihrer Rechtsvertretung zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).


Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich


Die EinzelrichterinDer Gerichtsschreiber




Romero-KäserWilhelm