Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich |
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UV.2018.00188
I. Kammer
Sozialversicherungsrichterin Fehr, Vorsitzende
Sozialversicherungsrichter Bachofner
Ersatzrichter Wilhelm
Gerichtsschreiber Klemmt
Urteil vom 24. März 2020
in Sachen
X.___
Beschwerdeführerin
vertreten durch Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG
Direktion Bern, Rechtsanwältin Karin Moser
Monbijoustrasse 68, Postfach, 3001 Bern
gegen
Lloyd's, London, Zweigniederlassung Zürich
Seefeldstrasse 7, 8008 Zürich
Beschwerdegegnerin
vertreten durch XL Catlin Services SE, London, Zweigniederlassung Zürich
Limmatstrasse 250, 8005 Zürich
diese vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Frey
und Rechtsanwalt Matthias Spinner
Kellerhals Carrard Zürich KIG
Rämistrasse 5, Postfach, 8024 Zürich
Sachverhalt:
1.
1.1 Die 1983 geborene X.___ ist in ihrer Eigenschaft als Pfändungsbeamtin der Gemeinde Y.___ bei der Lloyd’s, London, Zweigniederlassung Zürich, obligatorisch gegen Unfälle versichert. Laut undatierter Schadenmeldung fiel sie am 2. Juni 2017 beim Judo-Training auf den Hinterkopf und Rücken. Ab 8. Juni 2017 erschien sie deshalb nicht mehr zur Arbeit (Urk. 12/A1). Der erstbehandelnde Arzt Dr. med. Z.___, Facharzt für Innere Medizin, verordnete Physiotherapie (Urk. 12/A2) und bescheinigte der Versicherten zunächst eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (Urk. 12/M1-2). Gemäss seinem Bericht vom 17. Juli 2017 erlitt sie eine HWS-Stauchung mit Peitschentrauma (Urk. 12/M3). Die Ärzte der Klinik für Neurologie des A.___ diagnostizierten im Bericht vom 25. August 2017 den Verdacht auf ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma und ein postkommotionelles Syndrom (Urk. 12/M4). Von August bis September war die Versicherte zu 50 % arbeitsunfähig geschrieben, danach bestand eine 30%ige Arbeitsunfähigkeit (Urk. 12/M6).
1.2 Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 eröffnete die Lloyd’s der Versicherten, dass das Ereignis vom 2. Juni 2017 weder als Unfall noch als unfallähnliche Körperschädigung qualifiziert werden könne. Deshalb bestehe keine Leistungspflicht der Lloyd’s aus der obligatorischen Unfallversicherung (Urk. 12/A13). Am 31. Oktober 2017 machte die Versicherte, inzwischen vertreten durch die Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG (Urk. 12/A14), ergänzende Angaben zum Hergang des Ereignisses vom 2. Juni 2017 (Urk. 12/A17). Mit Verfügung vom 15. Dezember 2017 (Urk. 12/A18) und, nachdem die Versicherte am 29. Januar 2018 dagegen Einsprache erhoben hatte (Urk. 12/A20), mit Einspracheentscheid vom 29. Juni 2018 verneinte die Lloyd’s einen Anspruch der Versicherten auf Unfallversicherungsleistungen (Urk. 2).
2. Dagegen erhob die Versicherte, vertreten durch die Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG, mit Eingabe vom 29. August 2018 Beschwerde mit dem Antrag, es seien ihr aufgrund des Ereignisses vom 2. Juni 2017 Unfallversicherungsleistungen zuzusprechen (Urk. 1 S. 2). Mit Beschwerdeantwort vom 7. Dezember 2018 beantragte die Lloyd’s die Abweisung der Beschwerde (Urk. 11), was der Beschwerdeführerin am 11. Dezember 2018 mitgeteilt wurde (Urk. 15).
Auf die einzelnen Vorbringen der Parteien und die eingereichten Unterlagen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Das Gericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 UV170040Gegenstand der Unfallversicherung, Gesetzestext, gültig ab 1.1.201708.2018Gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) werden – soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt – die Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und Berufskrankheiten gewährt (Abs. 1). Die Versicherung erbringt ihre Leistungen auch bei folgenden Körperschädigungen, sofern sie nicht vorwiegend auf Abnützung oder Erkrankung zurückzuführen sind (Abs. 2): Knochenbrüche (lit. a), Verrenkungen von Gelenken (lit. b), Meniskusrisse (lit. c), Muskelrisse (lit. d), Muskelzerrungen (lit. e), Sehnenrisse (lit. f), Bandläsionen (lit. g) und Trommelfellverletzungen (lit. h). Diese Aufzählung der den Unfällen gleichgestellten Körperschädigungen ist abschliessend (BGE 116 V 136 E. 4a, 147 E. 2b, je mit Hinweisen; Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Auflage, Bern 1989, S. 202). Ausserdem erbringt die Versicherung ihre Leistungen für Schädigungen, die der verunfallten Person bei der Heilbehandlung zugefügt werden (Abs. 3).
1.2 UV170180Unfallbegriff, Gesetzestext08.2018Ein Unfall ist gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.
1.3
1.3.1 UV170190Unfallbegriff, ungewöhnlicher äusserer Faktor08.2018Nach der Rechtsprechung bezieht sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog. Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er – nach einem objektiven Massstab – den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet. Ausschlaggebend ist also, dass sich der äussere Faktor vom Normalmass an Umwelteinwirkungen auf den menschlichen Körper abhebt. Ungewöhnliche Auswirkungen allein begründen keine Ungewöhnlichkeit (BGE 134 V 72 E. 4.1 und E. 4.3.1 mit Hinweis).
1.3.2 UV170650Unfallbegriff, ungewöhnlicher äusserer Faktor, unkoordinierte Bewegung, insb. Sportverletzung08.2018Nach Lehre und Rechtsprechung kann das Merkmal des ungewöhnlichen äusseren Faktors in einer unkoordinierten Bewegung bestehen. Bei Körperbewegungen gilt dabei der Grundsatz, dass das Erfordernis der äusseren Einwirkung lediglich dann erfüllt ist, wenn ein in der Aussenwelt begründeter Umstand den natürlichen Ablauf einer Körperbewegung gleichsam «programmwidrig» beeinflusst hat. Bei einer solchen unkoordinierten Bewegung ist der ungewöhnliche äussere Faktor zu bejahen; denn der äussere Faktor – Veränderung zwischen Körper und Aussenwelt – ist wegen der erwähnten Programmwidrigkeit zugleich ein ungewöhnlicher Faktor (BGE 130 V 117 E. 2.1 mit Hinweisen).
1.3.3 Ohne besonderes Vorkommnis ist bei einer Sportverletzung das Merkmal der Ungewöhnlichkeit und damit das Vorliegen eines Unfalles zu verneinen (BGE 130 V 117 E. 2.2 mit Hinweis). Dies bestätigt ein Blick auf verschiedene von der Rechtsprechung beurteilte Sportverletzungen: Bei einer Lehrerin, die in einer Turnstunde eine Rolle vorwärts ausführte und in der Folge behandlungsbedürftige Beschwerden im Nackenbereich verspürte, wurde das Vorliegen eines Unfalls im Rechtssinne verneint (Urteil des Bundesgerichts U 98/01 vom 28. Juni 2002 E. 1). Ebenfalls keinen Unfall im Rechtssinne erleidet, wer ohne besondere Vorkommnisse einen Rückwärtspurzelbaum ausführt und dabei eine Traumatisierung der HWS erleidet (Urteil des Bundesgerichts U 322/02 vom 7. Oktober 2003 E. 4.2, 4.4 und 5.4) oder wem eine Rückwärtsrolle im Jiu-Jitsu-Training misslingt und wer dabei nicht über die Schulter, sondern über das Genick rollt (Urteil des Bundesgerichts 8C_189/2010 vom 9. Juli 2010 E. 4 und 5). Dagegen wurde der Unfallbegriff bejaht bei einem nicht näher beschriebenen Sturz beim Kampfsporttraining mit Verletzung der linken Schulter (Urteil des Bundesgerichts 8C_826/2008 vom 2. April 2009 E. 5.1) und einem Bandencheck im Eishockey (BGE 130 V 117 E. 3). Im in BGE 130 V 117 beurteilten Fall hatte sich der Versicherte beim Check gegen eine Bande verletzt. Das Bundesgericht gelangte in Erwägung 3 zur Beurteilung, durch diesen Vorgang sei der natürliche Ablauf der Körperbewegung programmwidrig beeinflusst worden, worin die Ungewöhnlichkeit des Geschehens liege. Auch wenn derartige Körperattacken im Eishockey häufig vorkämen, ändere dies nichts daran, dass sie zu einer unvorhersehbaren Beeinträchtigung des vom Spieler vorgesehenen Bewegungsablaufs führten. Jeder Spieler müsse zwar damit rechnen, dass er gefoult werde, er könne allerdings nicht voraussehen, wie sich die Körperattacke auf den natürlichen Bewegungsablauf auswirken werde.
Generell ergibt sich aus der Rechtsprechung zu Sportverletzungen, dass der äussere Faktor ungewöhnlich ist, wenn die sportliche Übung anders verläuft als geplant, nicht aber, wenn ein Geschehen in die gewöhnliche Bandbreite der Bewegungsmuster der betreffenden Sportart fällt und sich das einer sportlichen Übung inhärente Risiko einer Verletzung verwirklicht. Auch wenn die Übung zwar nicht ideal verläuft, die Art der Ausführung sich aber noch in der Spannweite des Üblichen bewegt, liegt kein Unfallereignis vor (Urteile des Bundesgerichts 8C_835/2013 vom 28. Januar 2014 E. 5.1 sowie U 322/02 vom 7. Oktober 2003 E. 4.4; Alexandra Rumo-Jungo/André P. Holzer, Bundesgesetz über die Unfallversicherung [UVG], 4. Auflage, Zürich 2012, S. 43 mit Hinweisen). Zu beachten ist auch, dass sich ein Vorfall für gewisse Personen als ungewohnt, für andere aber als durchaus normal erweisen kann, so dass es nicht gerecht wäre, für alle Versicherten die gleichen Kriterien anzuwenden. So handelt es sich beispielsweise bei einem Sturz für einen Spaziergänger um ein aussergewöhnliches Ereignis, nicht aber für einen Schwinger während des Zweikampfes (RKUV 1992 Nr. U 156 S. 259).
2.
2.1 Die Lloyd’s verneinte im angefochtenen Einspracheentscheid das Vorliegen eines Unfalls im Rechtssinn. Dies begründete sie damit, der Hergang des Ereignisses vom 2. Juni 2017 sei anhand der Schadenmeldung zu ermitteln, da diese Darstellung als Aussage der ersten Stunde unbefangener und nicht nachträglich durch versicherungsrechtliche Überlegungen geprägt sei und deshalb erhöhte Beweiskraft habe. Demnach sei die Beschwerdeführerin beim Judo-Training im Zweikampf auf den Hinterkopf und Rücken gefallen. Damit werde ein Geschehen beschrieben, das sich noch innerhalb der gewöhnlichen Bandbreite der Bewegungsmuster der ausgeübten Sportart befinde. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe sich nichts Aussergewöhnliches beziehungsweise Programmwidriges ereignet. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin selbst angegeben, dass Würfe für den Judosport charakteristisch seien und deshalb im Training immer wieder geübt würden, ebenso wie das gezielte Fallen. Selbst wenn angenommen werde, ihr Trainingspartner habe den Wurf nicht korrekt ausgeführt, könne dies nicht sogleich als aussergewöhnlich gelten; der Sinn einer solchen Übungsanlage bestehe ja gerade darin, Fehler zu machen und sich verbessern zu können. Dies gelte umso mehr, als sich die Beschwerdeführerin als ausserordentlich geübte und erfahrene Judoka bezeichne. Zur Annahme einer Aussergewöhnlichkeit beziehungsweise einer programmwidrigen Beeinflussung des Bewegungsablaufs müsste nachgewiesen werden, dass der Trainingspartner eine Regelwidrigkeit begangen habe (Urk. 2 S. 4 f.; vgl. auch Urk. 12/A18 S. 2).
2.2 Die Beschwerdeführerin stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, das Ereignis vom 2. Juni 2017 sei als Unfall zu qualifizieren, was zur Leistungspflicht der Lloyd’s führe. Zur Ermittlung des Ereignishergangs dürfe nicht bloss auf die undatierte Schadenmeldung, welche in knapper Form von ihrem Arbeitgeber ausgefüllt worden sei, abgestellt werden. Die Lloyd’s habe es unterlassen, sie nach Eingang der Schadenmeldung einen standardisierten, detaillierteren Fragebogen zum Ereignishergang ausfüllen zu lassen. Deshalb habe sie selbst dies nachgeholt und das Vorgefallene aus eigener Sicht in dem am 31. Oktober 2017 ausgefüllten Fragebogen geschildert. Darin seien erstmalige Aussagen zum Sachverhalt enthalten, weshalb darauf abzustellen sei. Demnach habe der Trainingspartner beim Übungskampf zu einem Wurf angesetzt und ihr aus Versehen ein Bein gestellt. Da sie darauf weder mit Blockieren noch mit Ausweichen habe reagieren können, sei sie auf den Rücken gefallen und habe sich dabei den Hinterkopf angeschlagen (Urk. 1 S. 2 f.). Ihr Fall müsse analog dem in BGE 130 V 117 behandelten Bandencheck beim Eishockeyspiel behandelt werden: Im Judo-Kampfsport müsse zwar mit Würfen gerechnet werden. Auch werde im Judo das gezielte Fallen geübt. Solange ein Wurf richtig ausgeführt werde, sei es für den Gegner absehbar, wie er fallen werde. Da ihr Trainingspartner den Wurf nicht korrekt ausgeführt habe, sei ihr Fall im Ablauf derart gestört worden, dass sie nicht wie geplant auf die Seite gefallen, sondern mit dem gestreckten Rücken und anschliessend mit dem Kopf hart auf die Matte aufgeprallt sei. Obwohl sie eine ausserordentlich geübte und erfahrene Judoka sei, sei der Bewegungsablauf durch den fehlerhaften Wurf auf unvorhersehbare, programmwidrige Art beeinflusst worden. Damit müsse das Vorliegen eines ungewöhnlichen äusseren Faktors bejaht werden; das Ereignis vom 2. Juni 2017 erfülle den Unfallbegriff (Urk. 1 S. 3 f.).
2.3 In der Beschwerdeantwort bringt die Lloyds ergänzend vor, selbst wenn die Schadenmeldung vom Arbeitgeber ausgefüllt worden sein sollte, könne nicht ernsthaft daran gezweifelt werden, dass die dortigen Angaben über den Sachverhalt von der Beschwerdeführerin selbst stammten. Deshalb treffe ihre Behauptung, bei der Darstellung auf dem erst am 31. Oktober 2017 ausgefüllten Fragebogen handle es sich um ihre Aussagen der ersten Stunde, nicht zu. Der Angabe im Fragebogen, ihr Trainingspartner habe ihr ein Bein gestellt, seien versicherungsrechtliche Überlegungen zugrunde gelegen. Die Beschwerdeführerin habe das Stellen des Beins nämlich ausdrücklich als «äusseren Faktor» im Sinne von Art. 4 ATSG bezeichnet. Dass der Trainingspartner den Ereignishergang nicht bezeugen können solle, wie die Beschwerdeführerin auf dem Fragebogen geltend mache, sei nicht glaubhaft. Ihre Erklärung, er habe nicht bemerkt, wie stark der Aufprall gewesen sei, überzeuge nicht. Damit sei nicht erstellt, dass ihr während des Trainings versehentlich ein Bein gestellt worden sei. Im Übrigen finde die Darstellung der Beschwerdeführerin, Rücken und Hinterkopf seien beim Fall «gestreckt» gewesen, in den Akten keine Stütze (Urk. 11 S. 8 und 11 f.). Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass ihr durch den Trainingspartner wider Erwarten ein Bein gestellt worden sei, könne das Ereignis nicht als Unfall anerkannt werden. Ein während einer Übung nicht korrekt ausgeführter Wurf des Gegners sei für den Judosport kein aussergewöhnliches Ereignis und liege zweifellos noch in der gewöhnlichen Bandbreite von Bewegungsmustern (Urk. 11 S. 8 f.). Das Ereignis vom 2. Juni 2017 könne auch nicht mit dem vom Bundesgericht beurteilten Bandencheck im Eishockey verglichen werden: Beim Eishockeyspiel gehe es im Wesentlichen um das Erzielen und Verhindern von Toren; Bandenchecks dürften als Mittel zur Zielerreichung nur in sehr engen Grenzen eingesetzt werden. Demgegenüber stelle das – teilweise auch nicht korrekt ausgeführte - Werfen und Fallen den eigentlichen Kern des Judosports dar (Urk. 11 S. 12 f.).
3.
3.1 Laut der (undatierten) Schadenmeldung verletzte sich die Beschwerdeführerin am 2. Juni 2017 beim abendlichen Judo-Training am Schädel/Hirn, indem sie im Zweikampf auf den Hinterkopf und Rücken fiel (Urk. 12/A1).
3.2 Der behandelnde Internist Dr. Z.___ hielt in seinem Bericht vom 17. Juli 2017 fest, die Beschwerdeführerin habe erneut beim Kampfsport eine HWS-Stauchung mit Peitschentrauma erlitten und sich dabei eine mittelschwere Hirnerschütterung zugezogen. Der Heilungsverlauf habe sich verzögert (Urk. 12/M3).
3.3 Die Spezialisten der Klinik für Neurologie des A.___ beurteilten die Beschwerdeführerin neuropsychologisch. Laut ihrem Untersuchungsbericht vom 25. August 2017 gab die Beschwerdeführerin an, dass sie am 2. Juni 2017 rücklings «wie ein Brett» auf den Hinterkopf gefallen sei und seither unter einer starken Ermüdbarkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und einer erhöhten Licht- und Lärmempfindlichkeit leide (Urk. 12/M4 S. 1). Die Untersuchung ergab eine leichte kognitive Verlangsamung und eine reduzierte beziehungsweise instabile Konzentrationsfähigkeit, welche von den Spezialisten im Rahmen eines postkommotionellen Syndroms nach einem leichten Schädel-Hirn-Trauma interpretiert wurde (Urk. 12/M4 S. 2 f.). Zusätzlich ist dem Bericht die Diagnose einer Migräne ohne Aura zu entnehmen (Urk. 12/M4 S. 1; vgl. auch Urk. 12/M5).
3.4 Nachdem die Lloyd’s der Beschwerdeführerin am 12. Oktober 2017 mitgeteilt hatte, dass sie für das Ereignis vom 2. Juni 2017 keine Versicherungsleistungen ausrichten werde (Urk. 12/A13), reichte die mittlerweile durch die Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG vertretene Beschwerdeführerin (Urk. 12/A13-A14) einen am 31. Oktober 2017 von ihr ausgefüllten Fragebogen ein. Gemäss der dortigen Darstellung setzte ihr Partner am 2. Juni 2017 beim Judo-Übungskampf im Übungsraum des lokalen Judo Teams zu einem Wurf an und stellte ihr dadurch aus Versehen ein Bein. Da beim Judo ein respektvoller Umgang mit dem Partner vorausgesetzt werde, sei das Kriterium einer unbeabsichtigten Schädigung gemäss Art. 4 ATSG erfüllt. Den äusseren Faktor bilde das versehentliche Beinstellen durch ihren Übungspartner. Es gebe keine Zeugen; ihr Übungspartner habe nicht bemerkt, wie stark der Aufprall gewesen sei (Urk. 12/A17 S. 1). Sofort nach dem Aufprall habe sie sich komisch gefühlt. In der Nacht beziehungsweise am Morgen danach hätten die Kopfschmerzen begonnen (Urk. 12/A17 S. 2).
3.5 Wegen anhaltender Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, Schwindel sowie kognitiver Beeinträchtigungen wurde die Beschwerdeführerin durch ihren Hausarzt Dr. Z.___ den Neurologen des B.___ vorgestellt. Diese führten in ihrem Bericht vom 6. Februar 2018 als Hauptdiagnose eine im Rahmen eines Judo-Trainings am 2. Juni 2017 erlittene Concussion und HWS-Distorsion und als Nebendiagnose eine Migräne ohne Aura auf (Urk. 12/M6 S. 1). In anamnestischer Hinsicht erwähnten die Ärzte, die Beschwerdeführerin sei am 2. Juni 2017 beim Judo-Training während eines Übungskampfes aus dem Stehen auf den Hinterkopf gefallen. Der Schlag sei unerwartet gewesen. Sie sei schnell wieder aufgestanden und habe erst am nächsten Tag erste Symptome entwickelt (Urk. 12/M6 S. 3).
4.
4.1 Judo ist eine japanische Kampfsportart. Ziel des Zweikampfes ist es, den Gegner durch Anwenden einer Technik mit Kraft und Schnelligkeit kontrolliert auf den Rücken zu werfen. Die Judo-Techniken lassen sich grob in Stand-/Wurftechniken, Bodentechniken und die Fallschule einteilen. Wurftechniken werden angewendet, um den Gegner vom Stand in die Bodenlage zu bringen. Dabei reicht die Auswahl vom einfachen Beinstellen bis hin zum Überkopfwurf. Um sich bei den Würfen nicht zu verletzen, müssen alle Judoka Falltechniken erlernen. Dabei werden Techniken geübt, so zu fallen, dass man sich dabei nicht verletzt. Das Fallen wird nach allen Seiten trainiert: Seitwärts, rückwärts und nach vorn. Träger höherer Gürtelgrade trainieren die Techniken auch als Fall über ein Hindernis und dann als «freien Fall» in der Luft. Die eingeübte Falltechnik soll im Fall der Fälle (etwa beim Stolpern oder einem Schubs-Angriff) reflexartig ausgeführt werden, um eine zeitliche Verzögerung durch aktives Nachdenken zu minimieren und dadurch unverletzt zu bleiben. Für alle Fallarten gilt prinzipiell, dass der Kopf immer mit dem Kinn auf die Brust gedrückt werden sollte, um die Belastung von der Halswirbelsäule zu nehmen und den Kopf vor dem Aufschlag zu schützen; zudem sollte niemals vollkommen senkrecht zur Längsachse des Körpers auf dem Rücken abgerollt werden, sondern immer schräg dazu, um die Wirbelsäule zu entlasten (vgl. dazu Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, https://de.wikipedia.org/wiki/Judo).
4.2 Die strittige Frage, ob der Hergang des Ereignisses vom 2. Juni 2017 lediglich anhand der Angaben auf der Schadenmeldung oder gestützt auf die detaillierte Darstellung in dem am 31. Oktober 2017 ausgefüllten Fragebogen zu ermitteln sei, kann aufgrund der nachfolgenden Ausführungen offen bleiben.
4.3 Laut der Darstellung der Beschwerdeführerin vom 31. Oktober 2017 setzte ihr Trainingspartner am 2. Juni 2017 beim Judo-Übungskampf zu einem Wurf an und stellte ihr dabei aus Versehen ein Bein. Sie habe weder blockieren noch ausweichen können, sei auf den Rücken gefallen und habe sich dabei den Hinterkopf angeschlagen (Urk. 12/A17 S. 1).
Zur Beurteilung der Frage, ob das Ereignis vom 2. Juni 2017 einen Unfall im Rechtssinne darstellt, hilft die diagnostische Einordnung des Ereignisses und der Folgen durch die Ärzte nicht weiter, da der juristische Unfallbegriff massgeblich ist.
Der vorliegende Fall kann mit den vorerwähnten Sportverletzungen nach einer Rolle vorwärts in der Turnstunde, einem Rückwärtspurzelbaum und einer misslungenen Rückwärtsrolle im Jiu-Jitsu-Training mit Abrollen über das Genick (vgl. vorstehend E. 1.3.3) nicht verglichen werden. Der hier zu beurteilende Bewegungsablauf wurde durch eine Drittperson mitbeeinflusst, nämlich den Trainingspartner, der nach der Beschreibung der Beschwerdeführerin einen Wurf nicht korrekt ausgeführt hat.
Auch mit dem vom Bundesgericht beurteilten Bandencheck beim Eishockey (vgl. vorstehend E. 1.3.3) kann die vorliegende Konstellation nicht gleichgesetzt werden. Wie die Lloyd’s zu Recht geltend macht, gehört ein Bandencheck nicht zu den primären Zielen des Hockeywettkampfs und er ist unter Umständen regelwidrig. Im Gegensatz dazu ist es das Ziel des Zweikampfes im Judo, den Gegner mit einem Wurf zu Fall zu bringen, wobei das Beinstellen zu den erlaubten Kampftechniken zählt. Die Abweichung vom Idealverlauf der sportlichen Tätigkeit ist im hier zu beurteilenden Fall somit vergleichsweise geringer.
Entscheidend ist, dass im Judotraining – zumal bei fortgeschrittenen Judoka wie der Beschwerdeführerin – Würfe trainiert werden, denen ein Verletzungsrisiko inhärent ist, wenn der Wurfgegner den anschliessenden Fall nicht korrekt ausführt. Aus diesem Grund werden die Falltechniken so eingeübt, dass sie reflexartig ausgeführt werden können. Es kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die trainierten Würfe häufig nicht lehrbuchmässig gelingen; die Lloyd’s weist diesbezüglich zu Recht darauf hin, dass das Training nicht zuletzt über das Lernen aus Fehlern Wirksamkeit erlange (Urk. 11 S. 8 Rz 38 f.). Dies bedeutet, dass die Trainingspartner bereits vor der Übung mit einer gewissen Abweichung vom geplanten Sollverlauf zu rechnen haben; dies gilt insbesondere für fortgeschrittene Judoka, die schwierigere Übungen in ihre Trainings einbauen und über eine bessere Falltechnik verfügen.
Das von der Beschwerdeführerin beschriebene Stellen eines Beins durch den Übungspartner bewegt sich im Rahmen der gewöhnlichen Bandbreite der sportartspezifischen Bewegungsmuster. Es stellt im Judo eine erlaubte Technik dar. Daran ändert nichts, dass der Trainingspartner nach der Darstellung der Beschwerdeführerin im Trainingsverlauf das Bein versehentlich und demnach unbeabsichtigt gestellt hat. Die Beschwerdeführerin als erfahrene Judoka musste bei objektiver Betrachtung mit einem solchen Verlauf rechnen. Die Beschwerdeführerin macht denn auch nicht geltend, es sei zuvor etwas Abweichendes vereinbart worden oder es sei sonstwie zu einer Regelwidrigkeit gekommen. Es gelang der Beschwerdeführerin in der Folge nicht, dem Angriff durch Blockieren oder Ausweichen zu begegnen. Dieser nicht ideale Verlauf der Übung ändert nichts daran, dass das Training in der Spannweite des für die Sportart Üblichen verlief. Der Ablauf des Wurfs und die dadurch bedingte äussere Einwirkung auf den Körper der Beschwerdeführerin war aufgrund der konkreten Verhältnisse für sich allein noch nicht geeignet, ihren Fall programmwidrig zu beeinflussen; sie zeitigte bloss deshalb ungewöhnliche Auswirkungen, weil die Beschwerdeführerin die Falltechniken, die eine Verletzung verhindern sollen, nicht erfolgreich umzusetzen vermochte. Darauf, dass sich anlässlich des beschriebenen Falls auf den Rücken nichts Ungewöhnliches ereignete, deutet auch der Umstand hin, dass der Trainingspartner laut Angaben der Beschwerdeführerin nichts Besonderes bemerkte (Urk. 12/A17).
Da nach Lage der Akten während des Trainings vom 2. Juni 2017 auch sonst kein ungewöhnlicher äusserer Faktor – etwa eine wegrutschende Kampfmatte (vgl. Urk. 12/A18 S. 2 sowie das Urteil des Bundesgerichts U 322/02 vom 7. Oktober 2003 E. 4.4) - auf die Beschwerdeführerin einwirkte, ist das Ereignis vom 2. Juni 2017 nicht als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren.
5. Da es sich bei der erlittenen HWS-Distorsion beziehungsweise dem leichten Schädel-Hirn-Trauma nicht um unfallähnliche Körperschädigungen im Sinne der abschliessenden Aufzählung in Art. 6 Abs. 2 lit. a-h UVG (vorstehend E. 1.1) handelt, entfällt unbestrittenermassen auch eine Leistungspflicht der Lloyd’s unter diesem Titel.
6. Aus dem Gesagten folgt, dass die Lloyds ihre Leistungspflicht zu Recht verneint hat. Dies führt zur Abweisung der Beschwerde.
Das Gericht erkennt:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Verfahren ist kostenlos.
3. Zustellung gegen Empfangsschein an:
- Protekta Rechtsschutz-Versicherung AG
- Rechtsanwalt Christoph Frey
- Bundesamt für Gesundheit
4. Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit der Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 82 ff. in Verbindung mit Art. 90 ff. des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, BGG). Die Frist steht während folgender Zeiten still: vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern, vom 15. Juli bis und mit 15. August sowie vom 18. Dezember bis und mit dem 2. Januar (Art. 46 BGG).
Die Beschwerdeschrift ist dem Bundesgericht, Schweizerhofquai 6, 6004 Luzern, zuzustellen.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten; der angefochtene Entscheid sowie die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat (Art. 42 BGG).
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Die VorsitzendeDer Gerichtsschreiber
FehrKlemmt