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Verwaltungsgericht
des
Kantons Zürich
4. Abteilung
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VB.2020.00479
Urteil
der 4. Kammer
vom 24. September 2020
Mitwirkend: Abteilungspräsidentin Tamara Nüssle (Vorsitz), Verwaltungsrichter Marco Donatsch, Verwaltungsrichter
Reto Häggi Furrer, Gerichtsschreiber
David Henseler.
In Sachen
1. A
2. B,
beide vertreten
durch RA C,
Beschwerdeführende,
gegen
Gemeinde Geroldswil,
vertreten durch den Gemeinderat Geroldswil,
Beschwerdegegnerin,
betreffend
Bewilligung einer Kinderkrippe − Sistierungsverfügung,
hat sich ergeben:
I.
A.
B betreibt in Geroldswil unter der Bezeichnung D mit
jeweils befristeten Bewilligungen unter anderem eine Kinderkrippe. Mit
Beschluss vom 6. Mai 2019 wies der Gemeinderat Geroldswil ein Gesuch von B
um eine neue Betriebsbewilligung ab dem 1. Januar 2019 ab. Dieser
Entscheid wurde mit Rekurs vom 11. Juni 2019 beim Bezirksrat Dietikon
angefochten.
B.
Am 6. November 2019 reichten B und ihr Sohn A
beim Gemeinderat Geroldswil ein Gesuch um Erneuerung der Betriebsbewilligung
für die Kinderkrippe ein. Mit Beschluss vom 10. Februar 2020 sistierte der
Gemeinderat das Gesuchsverfahren bis zum "rechtskräftigen Abschluss des
laufenden Rekursverfahrens".
II.
Mit Rekurs vom 18. März 2020 liessen A und
B beim Bezirksrat Dietikon die Aufhebung des Beschlusses vom 10. Februar
2020 und die Rückweisung an die Gemeinde zur weiteren Behandlung beantragen.
Mit Beschluss vom 11. Juni 2020 trat der Bezirksrat auf den Rekurs nicht
ein (Dispositiv-Ziff. I), auferlegte A und B die Rekurskosten von
insgesamt Fr. 613.- je zur Hälfte (Dispositiv-Ziff. II) und sprach in
Dispositiv-Ziff. III keine Parteientschädigungen zu.
III.
A und B liessen dagegen am 13. Juli
2020 Beschwerde beim Verwaltungsgericht führen und beantragen, unter
Entschädigungsfolge sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und es sei
"die Beschwerdegegnerin anzuweisen, das Verfahren in Bezug auf das
Bewilligungsgesuch des Beschwerdeführers in einer beförderlichen Art und Weise
fortzuführen"; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur weiteren
Behandlung zurückzuweisen. Der Gemeinderat Geroldswil verzichtete am 30. Juli
2020 auf Beschwerdebeantwortung. Der Bezirksrat Dietikon schloss mit
Vernehmlassung vom 31. August 2020 auf Abweisung der
Beschwerde und stellte dem Verwaltungsgericht neben den Akten des
bezirksrätlichen Verfahrens auch seinen Beschluss vom 19. August 2020 zu,
womit der Rekurs vom 11. Juni 2019 im Sinn der Erwägungen abgewiesen wurde.
Die Kammer erwägt:
1.
Für Beschwerden gegen erstinstanzliche Rekursentscheide
eines Bezirksrats über Anordnungen eines Gemeinderats betreffend eine
Krippenbewilligung ist das Verwaltungsgericht nach §§ 41 ff. des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG, LS 175.2) zuständig
(vgl. VGr, 22. März 2017, VB.2016.00751, E. 1 Abs. 1).
Die Vorinstanz trat nicht auf den Rekurs vom 18. März 2020 ein, da sie die Voraussetzungen für die
selbständige Anfechtung eines verfahrensleitenden Zwischenentscheids als nicht
gegeben erachtete. Tritt eine Vorinstanz auf ein Rechtsmittel nicht ein, weil
sie eine Prozessvoraussetzung als nicht erfüllt erachtet, ist die formell
unterlegene Partei legitimiert, sich gegen den Nichteintretensentscheid zur
Wehr zu setzen (vgl. Martin Bertschi, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. A., Zürich etc.
2014 [Kommentar VRG], Vorbemerkungen zu §§ 19–28a N. 58).
Weil auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind,
ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
2.1 Unbestritten
ist, dass es sich beim streitgegenständlichen Sistierungsbeschluss der
Beschwerdegegnerin um einen verfahrensleitenden Zwischenentscheid handelt (vgl.
Martin Bertschi, Kommentar VRG, § 19a N. 31). Die
Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden richtet sich gemäss § 19a
Abs. 2 VRG sinngemäss nach den Art. 91–93 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG). Gemäss Art. 93
Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen – nicht die Zuständigkeit oder den
Ausstand betreffende – selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide
zulässig, wenn sie einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können
(lit. a) oder wenn die Gutheissung sofort einen Entscheid herbeiführen und
damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beschwerdeverfahren ersparen würde (lit. b). Nach der bundes- und der
verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist bei einer Beschwerde bzw. einem
Rekurs gegen die Sistierung eines Verfahrens vom Erfordernis eines weiteren,
nicht wiedergutzumachenden Nachteils abzusehen, wenn eine ungerechtfertigte
Verfahrensverzögerung bzw. Rechtsverweigerung geltend gemacht wird (BGE 135
III 127 E. 1.3; VGr, 22. Februar 2012, VB.2011.00751/752, E. 1.1; vgl. VGr, 25. September 2014, SB.2014.00067,
E. 3.1 Abs. 3). Die Vorinstanz verkannte dies, indem sie nicht
auf die von den Beschwerdeführenden in der Rekursschrift behauptete
ungerechtfertigte Verfahrensverzögerung einging und lediglich prüfte, ob die
Sistierung einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken bzw. ob bei einer
Gutheissung des Rekurses sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden könne.
Nach dem Gesagten hätte sie jedoch auf den Rekurs der Beschwerdeführenden
eintreten und diesen materiell behandeln müssen.
Vorliegend ist auf eine Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur materiellen Behandlung des Rekurses zu verzichten (§ 63
Abs. 1 und § 64 Abs. 1 VRG; vgl. Marco Donatsch, Kommentar VRG,
§ 63 N. 18 und § 64 N. 7).
2.2 Eine
Verfahrenssistierung setzt triftige Gründe voraus und muss zweckmässig sein.
Das Interesse an einer vorübergehenden Verfahrenseinstellung muss im konkreten
Fall höher zu gewichten sein als das Gebot der Verfahrensbeschleunigung. Eine
Sistierung kann sich demnach rechtfertigen, wenn die Anordnung vom Ausgang
eines anderen Verfahrens abhängig ist oder von diesem wesentlich beeinflusst
wird (Martin Bertschi/Kaspar Plüss, Kommentar VRG, Vorbemerkungen zu
§§ 4–31 N. 38 ff. mit Hinweisen).
Solche Gründe, welche die Interessen der
Beschwerdeführenden an einer beförderlichen Verfahrensführung zu überwiegen
vermöchten, macht die Beschwerdegegnerin weder in ihrem Beschluss vom
10. Februar 2020 noch in ihrer Rekursvernehmlassung vom 4. Mai 2020
geltend. Vielmehr bringt sie darin vor, dass "die Sistierung des
Bewilligungsverfahrens [A] und der Trägerschaft von D Zeit gibt, um das Gesuch
[vom 6. November 2019] rechtskonform zu stellen (…)
und allfällige notwendige Dokumente noch zu erbringen". Es handle sich bei
der Verfahrenssistierung "nicht um eine ungerechtfertigte
Verfahrensverzögerung", sondern "um einen Zeitaufschub zur
Nachbesserung des eingereichten Gesuchs". Ausserdem führt sie an, dass die
Sistierung "auch einer allfälligen Vereinfachung des Gesuchsverfahrens
[diene], falls der Bezirksrat dem Rekurs im Vorverfahren stattgeben sollte.
Damit würden sich für die [Beschwerdeführenden] weitere Möglichkeiten
eröffnen". Dass der Ausgang des (sistierten) Gesuchsverfahrens vom Ausgang
des Rekursverfahren abhängig wäre, welches der Bezirksrat mit Beschluss vom
19. August 2020 entschied oder von Letzterem wesentlich beeinflusst würde,
wird von der Beschwerdegegnerin nicht geltend gemacht und ist auch nicht
ersichtlich. Es fehlte somit an triftigen Gründen für eine Sistierung des
Gesuchsverfahrens.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Dispositiv-Ziff. I
des Beschlusses des Bezirksrats Dietikon vom 11. Juni 2020 sowie der
Beschluss der Beschwerdegegnerin vom 10. Februar 2020 sind aufzuheben.
4.
Ausgangsgemäss sind die Kosten des Rekurs-
und des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen und hat diese
den Beschwerdeführenden eine angemessene Parteientschädigung für das Rekurs-
und das Beschwerdeverfahren zu bezahlen (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit
§ 13 Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 2 VRG). Die
Dispositiv-Ziff. II und III des Bezirksratsbeschlusses vom 11. Juni
2020 sind entsprechend abzuändern.
5.
Beim vorliegenden Urteil über einen Zwischenentscheid
handelt es sich ebenfalls um einen Zwischenentscheid, der nur unter den
Voraussetzungen gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG vor Bundesgericht
anfechtbar ist (vgl. Bertschi, § 19a N. 32).
Demgemäss erkennt die
Kammer:
1. Die
Beschwerde wird gutgeheissen. Dispositiv-Ziff. I des Bezirksratsbeschlusses
vom 11. Juni 2020 sowie der Beschluss der Beschwerdegegnerin vom
10. Februar 2020 werden aufgehoben.
In
Abänderung der Dispositiv-Ziff. II und III des Bezirksratsbeschlusses vom 11. Juni
2020 werden die Rekurskosten der Beschwerdegegnerin auferlegt und hat diese den
Beschwerdeführenden für das Rekursverfahren eine Parteientschädigung von
insgesamt Fr. 1'000.- zu bezahlen.
2. Die
Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 1'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 70.-- Zustellkosten,
Fr. 1'070.-- Total der Kosten.
3. Die
Gerichtskosten werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
4. Die
Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, den Beschwerdeführenden für das Beschwerdeverfahren
eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 500.- zu bezahlen.
5. Gegen
dieses Urteil kann im Sinn der Erwägungen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG erhoben werden. Die Beschwerde
ist innert 30 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,
einzureichen.
6. Mitteilung an …