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Verwaltungsgericht
des
Kantons Zürich
3. Abteilung
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VB.2021.00638
Urteil
der 3. Kammer
vom 24. Februar 2022
Mitwirkend: Abteilungspräsident André Moser (Vorsitz), Verwaltungsrichter Matthias Hauser, Verwaltungsrichterin
Silvia Hunziker, Gerichtsschreiber
Yannick Weber.
In Sachen
A, vertreten durch RA B und RA X,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonspolizei Zürich,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Informationszugang,
hat sich ergeben:
I.
A. Am 13. November
2020 kontaktierte A per E-Mail den Mediendienst der Kantonspolizei und ersuchte
darum, ihm die Daten zu Verkehrsunfällen auf verschiedenen Strassen in C (D-Strasse,
E-Strasse, F-Strasse) und G (H-Strasse, I-Strasse, J-Strasse, K-Strasse),
welche der Kanton in die schweizweite Datenbank des ASTRA eingegeben habe,
zuzustellen. Mit E-Mail vom 16. November 2020 beantwortete die Kantonspolizei
dieses Ersuchen abschlägig. Gleichentags wiederholte A sein Begehren und führte
aus, er wünsche bezüglich der erwähnten Strassen Übersichtskarten für alle
Unfallarten und chronologisch, pro Strasse nach aufsteigender Strassennummer
geordnete Excel-Tabellen zu allen Unfällen der Jahre 2011 bis 2019. Dabei
verwies er auf das Geoportal des Bundes, wo Informationen nur je einzeln pro
Unfall abrufbar seien, und führte aus, eine benutzerfreundlichere Form zu
wünschen. Für den Fall einer Ablehnung seines Gesuchs bat er um Erlass einer
anfechtbaren Verfügung.
B. Die
Kantonspolizei wies das Gesuch von A mit Verfügung vom 26. November 2020
ab.
II.
Dagegen gelangte A am 28. Dezember 2020 mit Rekurs an
die Sicherheitsdirektion und verlangte nebst Aufhebung der Verfügung der
Kantonspolizei vom 26. November 2020 "Einsicht in die gewünschten
Daten und Auswertungen der VUGIS-Datenbank (Auflistung der Unfallereignisse im
Excel-Format inkl. Unfallursache, Wetterverhältnisse, Signalisation etc., das
heisst alle im/via VUGIS enthaltenen Daten; ohne personenbezogene und daher
unter DSG-Gesichtspunkten nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen
Informationen) sowie kartografische Darstellung der Unfallereignisse an den
bezeichneten Örtlichkeiten". Mit Entscheid vom 19. August 2021 wies
die Sicherheitsdirektion den Rekurs ab, soweit sie darauf eintrat, und
auferlegte A die Verfahrenskosten.
III.
A. Mit
Beschwerde vom 14. September 2021 gelangte A, nunmehr anwaltlich vertreten,
an das Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung des Rekursentscheids vom
19. August 2021 sowie die Gewährung von Zugang zu Daten und Auswertungen
betreffend Strassenverkehrsunfälle im Innerortsbereich der Gemeinden C (D-Strasse,
E-Strasse, F-Strasse) und G (H-Strasse, I-Strasse, J-Strasse, K-Strasse)
mittels Auflistung der Unfallereignisse mit sämtlichen erfassten Unfalldaten im
Excel-Format und kartographischer Darstellung der Unfallereignisse. Eventualiter
sei die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Zudem liess A um Ausrichtung
einer Parteientschädigung ersuchen.
B. Die
Sicherheitsdirektion verzichtete am 20. September 2021 auf Vernehmlassung.
Die Kantonspolizei beantragte mit (verspäteter) Beschwerdeantwort vom 20. Oktober
2021, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei, und der
Beschwerdeführer sei zur Ausrichtung einer Parteientschädigung zu verpflichten.
Innert erstreckter Frist liess A am 1. Dezember 2021 dazu Stellung nehmen.
Die Kantonspolizei erklärte am 13. Dezember 2021 Verzicht auf eine weitere
Vernehmlassung.
Die Kammer erwägt:
1.
1.1 Das
Verwaltungsgericht ist gemäss § 41 Abs. 1 in Verbindung mit § 19
Abs. 1 lit. a des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai
1959 (VRG; LS 175.2) für die Behandlung der Beschwerde zuständig. Die
Angelegenheit ist von der Kammer zu behandeln (§ 38b Abs. 1 e
contrario und § 38 VRG).
1.2 Prozessthema
eines Rechtsmittelverfahrens kann nur sein, was auch Gegenstand des
angefochtenen Entscheids bzw. der erstinstanzlichen Verfügung war oder nach
richtiger Gesetzesanwendung hätte sein sollen (Martin Bertschi in: Alain
Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich
[VRG], 3. A., Zürich etc. 2014, Vorbemerkungen zu §§ 19–28a N. 45).
Soweit der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren sein Zugangsgesuch auf nicht
Gegenstand der vorinstanzlichen Verfahren bildende (Roh-)Daten erweitern
wollte, wäre darauf wegen Nichteinhaltung des Instanzenzugs nicht einzutreten. Den
Beschwerdeführer auf die insofern klare Eingrenzung des Rekursantrags zu
behaften, der "alle im/via VUGIS enthaltenen Daten" verlangte, ist
nicht überspitzt formalistisch im Sinn von Art. 29 Abs. 1 der
Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV; SR 101).
2.
2.1 Das Bundesamt
für Strassen (ASTRA) erstellt eine Strassenverkehrsunfall-Statistik; es ist
zuständig für eine gesamtschweizerische Auswertung der Strassenverkehrsunfälle
(Art. 89i Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember
1958 [SVG; SR 741.01]). Gestützt auf Art. 89i Abs. 2 SVG führt es in
Zusammenarbeit mit den Kantonen ein Informationssystem Strassenverkehrsunfälle
(ISU). Dieses besteht aus einem System zur Erfassung der
Strassenverkehrsunfälle (Erfassungssystem) sowie einem System zur Auswertung
der Strassenverkehrsunfälle (Auswertungssystem). Die Kantone geben die Daten,
die im Zusammenhang mit Strassenverkehrsunfällen erhoben worden sind, ins
Erfassungssystem ein (Art. 89i Abs. 3 SVG). Gemäss Art. 89j SVG
dient das Erfassungssystem der Unterstützung der zuständigen Behörden bei der
Durchführung von Administrativ- und Strafverfahren gegen Fahrzeugführer (lit. a),
das Auswertungssystem dient der Auswertung und Analyse von
Strassenverkehrsunfällen, dem Erarbeiten von Grundlagen der
Verkehrssicherheitspolitik und dem Erstellen der
Strassenverkehrsunfall-Statistik (lit. b). Der Bundesrat ist nach Art. 89n
SVG zum Erlass von Ausführungsvorschriften befugt, er regelt neben anderem die
Organisation und den Betrieb des Informationssystems (lit. a), die
Zuständigkeiten und die Verantwortung für die Datenbearbeitung (lit. b), die
Bekanntgabe von Daten (lit. g) sowie das Auskunfts- und Berichtigungsrecht
(lit. h). Die entsprechenden Regelungen finden sich in der Verordnung über
das Informationssystem Strassenverkehrsunfälle vom 30. November 2018 (ISUV;
SR 741.57).
2.2 Das ASTRA
führt das Erfassungssystem des ISU in Zusammenarbeit mit den Kantonen und dem
Schadenzentrum des Eidgenössischen Departements für Verteidigung,
Bevölkerungsschutz und Sport (Art. 3 Abs. 1 ISUV). Das
Auswertungssystem wird vom ASTRA geführt (Art. 3 Abs. 2 ISUV). Das
ASTRA trägt gemäss Art. 3 Abs. 3 ISUV die Verantwortung für das ISU;
es ist verantwortlich für die rechtmässige Datenbearbeitung und die
rechtmässige Nutzung des Informationssystems und gewährleistet die
Informatiksicherheit. Das ASTRA ist zudem zuständig für die Erteilung, die
Änderung und den Entzug von Zugriffsberechtigungen (Art. 3 Abs. 4
ISUV).
2.3 Die
Polizeiorgane und das Schadenzentrum VBS erfassen Daten der am Unfall
beteiligten Personen und Fahrzeuge, Unfallort, -typ und -ursachen,
Unfallskizzen, Einvernahmeprotokolle und Verzeigungsrapporte direkt im
Erfassungssystem oder übermitteln sie diesem (Art. 5 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 4 ISUV). Diese Daten werden in pseudonymisierter oder
anonymisierter Form aus dem Erfassungssystem ins Auswertungssystem übertragen
(Art. 6 Abs. 1 ISUV). Das ASTRA hat Zugriff auf die Daten des
Auswertungssystems (Art. 11 Abs. 1 ISUV). Die Kantone haben nur
Zugriff auf die Daten, die im Erfassungssystem von der jeweiligen kantonalen
Behörde erfasst worden sind, und die Daten, die Unfälle in ihrem Kantonsgebiet
betreffen (Art. 11 Abs. 3 ISUV). Dritte haben Zugriff im Rahmen einer
vom ASTRA nach Art. 17 ISUV erteilten Zugriffsberechtigung (Art. 11 Abs. 4
ISUV). Das ASTRA kann die Daten zu den Zwecken nach Artikel 2
Absatz 3 ISUV auswerten oder sie Dritten zur Auswertung zu diesen Zwecken
zur Verfügung stellen (Art. 12 Abs. 1 ISUV). Zweck der Auswertung
sind das Erkennen, die Analyse und die Sanierung von Unfallschwerpunkten und
Gefahrenstellen, die Unfallursachenforschung, die Erstellung der
Strassenverkehrsunfall-Statistik, die Vorbereitung, Durchführung und
Überprüfung von Massnahmen zur Verbesserung der Strassenverkehrssicherheit
sowie die Analyse von Unfallfolgen und -kosten (Art. 2 Abs. 3 ISUV).
2.4 Art. 17
ISUV regelt die Datenbekanntgabe aus dem ISU. Das ASTRA kann gestützt auf Art. 17
Abs. 2 ISUV Behörden, Organisationen und Privaten anonymisierte Daten für
eigene Auswertungen zur Verfügung stellen. Es schliesst dafür Leistungs- und
Datenschutzvereinbarungen ab. Darin kann es Zugriffsberechtigungen auf das
Auswertungssystem erteilen. Dritten werden anonymisierte Jahresdaten erst zur
Verfügung gestellt, nachdem sie in der Strassenverkehrsunfall-Statistik
publiziert worden sind (Art. 17 Abs. 3 ISUV). Für den Bezug von Daten
aus dem ISU stehen auf der Internetseite des ASTRA Kontaktmöglichkeiten und
entsprechende Antragsformulare zur Verfügung (www.astra.admin.ch > Dokumentation
> Daten und Informationsprodukte > Unfalldaten und -karten > Auskunftsschalter),
worauf bereits die Vorinstanz hinwies. Der Bezug von Daten aus dem ISU oder die
Erteilung einer Zugriffsberechtigung ist gemäss der Verordnung über die
Gebühren des Bundesamtes für Strassen vom 7. November 2007 (Gebührenverordnung
ASTRA, GebV-ASTRA; SR 172.047.40) kostenpflichtig.
3.
3.1 Der
Beschwerdeführer verlangt von der Kantonspolizei, Unfalldaten aus dem
Auswertungssystem des ISU betreffend zwei Ortschaften abzurufen und ihm als
Excel-Tabellen sowie in kartographischer Form zur Verfügung zu stellen. Die
Vorinstanz erwog, eine entsprechende Anfrage sei an das ASTRA zu richten. Ob
der Beschwerdeführer inzwischen mit einer entsprechenden Anfrage an das ASTRA
gelangt ist und allenfalls die gewünschte Information auf diesem Weg bereits
erhalten hat, ist nicht aktenkundig. Im Beschwerdeverfahren stellt er sich auf
den Standpunkt, das kantonale Gesetz über die Information und den Datenschutz vom
12. Februar 2007 (IDG; LS 170.4) vermittle ihm einen Anspruch auf Erhalt
der gewünschten Daten von der Beschwerdegegnerin.
3.2 Das IDG
konkretisiert das in Art. 17 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar
2005 (KV; LS 101) gewährleistete Recht auf Zugang zu amtlichen Dokumenten (VGr,
20. September 2021, VB.2021.00416, E. 2.1). Gemäss § 20 Abs. 1
IDG hat jede Person Anspruch auf Zugang zu den bei einem öffentlichen Organ
vorhandenen Informationen. Mit Ausnahme nicht fertiggestellter Aufzeichnungen
bezieht sich dieser Anspruch auf alle Informationen, die beim öffentlichen
Organ vorhanden sind. Die Informationen müssen aber vorhanden sein: Das auf das
Öffentlichkeitsprinzip gestützte Zugangsrecht verpflichtet die öffentlichen
Organe nicht, Informationen, die nicht vorhanden sind, erst zu schaffen oder zu
erheben (Beat Rudin in: Bruno Baeriswyl/Beat Rudin [Hrsg.], Praxiskommentar zum
Informations- und Datenschutzgesetz des Kantons Zürich [IDG], Zürich etc.
2012, § 20 N. 13 f.).
3.3 Die
Kantone können die Daten im Auswertungssystem, auf die sie zugreifen dürfen,
auswerten (Art. 12 Abs. 3 ISUV). Hingegen steht ihnen – anders als
dem ASTRA (Art. 12 Abs. 1 ISUV) – nicht zu, Daten aus dem
Auswertungssystem Dritten zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Zur
Bekanntgabe von Daten aus dem ISU an Dritte ist nur das ASTRA berechtigt (Art. 17
ISUV). Die Beschwerdegegnerin ist demnach von Bundesrechts wegen gar nicht
befugt, auf Daten des Auswertungssystems zuzugreifen, um diese einem Privaten
zur Verfügung zu stellen.
3.4 Ein
grundsätzlicher Anspruch auf die beantragte Informationsbekanntgabe könnte nach
§ 20 Abs. 1 IDG höchstens bestehen, wenn die Beschwerdegegnerin
entsprechende Auswertungen besässe. Die vom Beschwerdeführer gewünschten Daten
müssten jedoch zuerst aus der Datenbank des Bundes abgefragt werden, wozu die
Beschwerdegegnerin gestützt auf das IDG nicht verpflichtet werden kann (hiervor
E. 3.2). Wie aus dem Gesuch des Beschwerdeführers und seiner Rekursschrift
unmissverständlich hervorgeht, bezieht sich sein Antrag auf Daten und
Auswertungen der Datenbank des Bundes und nicht auf polizeiliche Aufzeichnungen
zu den entsprechenden Unfällen, die mit den ins ISU eingespiesenen
Informationen in Zusammenhang stehen. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eine
Prüfung der in §§ 23 und 25 IDG niedergelegten Gründe für die Abweisung
eines Gesuchs um Informationszugang.
3.5 Der
Beschwerdeführer rügt, sein Gesuch sei in überspitzt formalistischer Weise zu
eng interpretiert worden und beziehe sich auch auf Daten aus dem ISU, die im
Geoportal des Bundes nicht frei verfügbar seien. Ob in seinem Umfang so oder
anders zu verstehen, müsste das Gesuch um Einsicht in Daten des
Auswertungssystems beim ASTRA gestellt werden, weil die Kantone nicht
berechtigt sind, Daten zwecks Zurverfügungstellung an Private aus dem System
abzurufen. Dass ein anderer Kanton dem Beschwerdeführer entsprechende Listen
zur Verfügung gestellt habe, ändert daran nichts. Auch das vom Beschwerdeführer
angerufene Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die
Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu
Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention;
SR 0.814.07) vermittelt keinen entsprechenden Anspruch. Die Beschwerde erweist
sich demzufolge als unbegründet und ist abzuweisen.
4.
Ausgangsgemäss sind die Kosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2).
Eine Parteientschädigung steht ihm bei diesem Verfahrensausgang nicht zu (§ 17
Abs. 2 VRG). Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Zusprechung einer
Parteientschädigung erfolgte verspätet. Er wäre aber ohnehin abzuweisen, weil Gemeinwesen
eine Parteientschädigung gestützt auf § 17 Abs. 2 lit. a VRG
gemäss ständiger Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei
ausserordentlichen Bemühungen, zusteht (VGr, 10. September 2020, VB.2019.00188,
E. 8.3 mit Hinweisen) und kein solcher Ausnahmefall vorliegt.
Demgemäss erkennt die
Kammer:
1. Die
Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die
Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 2'200.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 170.-- Zustellkosten,
Fr. 2'370.-- Total der Kosten.
3. Die
Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Es
werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
5. Gegen
dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff.
des Bundesgerichtsgesetzes erhoben werden. Die Beschwerde ist innert 30 Tagen,
von der Zustellung an gerechnet, beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14,
einzureichen.
6. Mitteilung an …