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Geschäftsnummer: VB.2023.00224  
Entscheidart und -datum: Endentscheid vom 22.11.2023
Spruchkörper: 4. Abteilung/4. Kammer
Weiterzug: Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Rechtsgebiet: Personalrecht
Betreff:

Kündigung


Die aufschiebende Wirkung des Neubeurteilungsverfahrens kann nicht entzogen werden. Weil die delegierende Behörde die Kündigung im Neubeurteilungsverfahren uneingeschränkt zu überprüfen und neu zu entscheiden hat, beginnt die Kündigungsfrist mit Zustellung des Neubeurteilungsentscheids (erneut) zu laufen (E. 4.2). Die Bezeichnung eines Arbeitskollegen als "Lutscher" bzw. die Unterstellung, die Arbeitskollegen seien alkoholabhängig und konsumierten Drogen sowie das "Angebot" an den Arbeitskollegen, die Angelegenheit nach der Arbeit zu klären, sind als mangelhaftes Verhalten zu qualifizieren, das die Beschwerdegegnerin angesichts der Vorgeschichte (wiederholte Ermahnung und Ansetzung einer Bewährungsfrist) zur Kündigung berechtigte (zum Ganzen E. 6). Teilweise Gutheissung.
 
Stichworte:
AUFSCHIEBENDE WIRKUNG
ENTZUG DER AUFSCHIEBENDEN WIRKUNG
ERMAHNUNG
KÜNDIGUNG
LÜCKE
MANGELHAFTES VERHALTEN
NEUBEURTEILUNG
SACHLICHER GRUND
Rechtsnormen:
Art./§ 44 GG
Art./§ 170 GG
Art./§ 171 Abs. 2 GG
§ 25 Abs. 2 lit. a VRG
§ 25 Abs. 3 VRG
Publikationen:
- keine -
Gewichtung:
(1 von hoher / 5 von geringer Bedeutung)
Gewichtung: 1
 
 

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

4. Abteilung

 

VB.2023.00224

 

 

 

Urteil

 

 

 

der 4. Kammer

 

 

 

vom 22. November 2023

 

 

 

Mitwirkend: Verwaltungsrichter Reto Häggi Furrer (Vorsitz), Verwaltungsrichter André Moser, Verwaltungsrichter Martin Bertschi, Gerichtsschreiberin Sonja Güntert.  

 

 

 

In Sachen

 

 

 

A, vertreten durch RA B,

Beschwerdeführer,

 

 

gegen

 

 

Stadt Winterthur, vertreten durch den Stadtrat Winterthur,

Beschwerdegegnerin,

 

 

betreffend Kündigung,

hat sich ergeben:

I.  

A. A war seit dem 1. September 2018 als Schlosser für das Tiefbauamt im Departement Bau und Mobilität der Stadt Winterthur tätig. Am 15. Juli 2019 wurde A wegen unkollegialen Verhaltens am Arbeitsplatz abgemahnt. Aus dem gleichen Grund wurde ihm im Dezember 2019 eine Bewährungsfrist angesetzt. Mit Verfügung vom 22. März 2021 löste das Departement Bau und Mobilität das Anstellungsverhältnis per Ende Juni 2021 auf. Mit Neubeurteilungsentscheid vom 25. August 2021 bestätigte der Stadtrat die Kündigung.

B. Einen hiergegen erhobenen Rekurs hiess der Bezirksrat Winterthur mit Beschluss vom 29. April 2022 gut und stellte fest, dass die Kündigung nichtig sei, weil sie während einer Sperrfrist wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden sei.

C. Mit Verfügung vom 12. Mai 2021 hatte das Departement Bau und Mobilität das Anstellungsverhältnis "für den Fall, dass die von Ihnen geltend gemachte Nichtigkeit der Kündigung vom 22. März 2021 bestätigt werden sollte" per Ende August 2021 erneut aufgelöst und einem allfälligen Gesuch um Neubeurteilung die aufschiebende Wirkung entzogen. Der Stadtrat Winterthur bestätigte die Kündigung mit Neubeurteilungsentscheid vom 25. August 2021.

II.  

Einen gegen den Neubeurteilungsentscheid betreffend zweite Kündigung erhobenen Rekurs wies der Bezirksrat Winterthur mit Beschluss vom 24. Februar 2023 ab.

III.  

A erhob am 26. April 2023 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte, unter Entschädigungsfolge sei der Rekursentscheid aufzuheben und festzustellen, dass die Kündigung vom 12. Mai 2021 nichtig sei, eventualiter sei festzustellen, dass die Kündigung missbräuchlich und sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei, und es sei ihm eine Entschädigung von "mindestens Fr. 18'282.-- brutto" zuzüglich 5 % Zins seit dem 1. September 2021 zuzusprechen. Die Stadt Winterthur beantragte am 17. Mai 2023 die Abweisung der Beschwerde unter Entschädigungsfolge, der Bezirksrat Winterthur schloss mit Vernehmlassung vom 26. Mai 2023 ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Mit weiteren Stellungnahmen von A vom 19. Juni 2023 und der Stadt Winterthur vom 26. Juni 2023 wurde an den jeweiligen Anträgen festgehalten. 

Die Kammer erwägt:

1.  

Das Verwaltungsgericht ist für Beschwerden gegen Rekursentscheide eines Bezirksrats betreffend personalrechtliche Anordnungen einer Gemeinde gemäss §§ 41 ff. des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG, LS 175.2) zuständig.

Weil auch die weiteren Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.  

Wird beantragt, es sei die Nichtigkeit einer Kündigung festzustellen, entspricht der Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach neuerer Praxis des Verwaltungsgerichts dem Bruttolohn für ein Jahr (VGr, 11. Mai 2023, VB.2022.00294, E. 2 – 30. März 2023, VB.2022.00608, E. 1.3 – 8. Dezember 2022, VB.2022.00281, E. 2). Damit beträgt der Streitwert vorliegend rund Fr. 80'000.-, weshalb die Angelegenheit in die Zuständigkeit der Kammer fällt (§ 38 Abs. 1 in Verbindung mit § 38b Abs. 1 lit. c e contrario VRG).

3.  

Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Verfügung vom 12. Mai 2021 handle es sich um eine unzulässige bedingte Kündigung, weil sie nur für den Fall erlassen worden sei, dass die erste Kündigung nichtig sei.

Die Rüge ist unbegründet. Die streitgegenständliche Kündigung steht einzig unter dem Vorbehalt, dass das Anstellungsverhältnis nicht bereits mit der Kündigung vom 22. März 2022 rechtsgültig aufgelöst wurde. Dabei handelt es sich nicht um eine Bedingung im rechtlichen Sinn. Vielmehr stellt der Beschwerdegegner damit klar, dass die Verfügung überhaupt nur für den Fall Rechtswirkungen entfaltet, als das Anstellungsverhältnis wegen Nichtigkeit der ersten Kündigung noch nicht aufgelöst worden ist; war die erste Kündigung nichtig, ist dem Arbeitgeber selbstredend nicht verwehrt, die Kündigung erneut auszusprechen, wobei er nicht warten muss, bis die Nichtigkeit rechtskräftig festgestellt wurde. Der strittige Vorbehalt ist in solchen Fällen im Übrigen notwendig, um klarzustellen, dass die zweite Kündigungsverfügung nicht zu einer Wiedererwägung der ersten Kündigungsverfügung führt, sollte diese rechtsgültig ergangen sein (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens auch VGr, 24. November 2017, VB.2017.00575, E. 2.1 f.; ferner Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph, Arbeitsvertrag, 7. A., Zürich etc. 2012, Art. 335 N. 3; zur Notwendigkeit eines entsprechenden Vorbehalts VGr, 30. April 2020, VB.2019.00572, E. 5.4).

4.  

4.1 Weiter rügt der Beschwerdeführer, das Departement Bau und Mobilität habe die aufschiebende Wirkung des Neubeurteilungsverfahrens nicht entziehen dürfen; er hätte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigt werden müssen. Sinngemäss macht er damit geltend, dass die Ausgangsverfügung gar keine Rechtswirkungen entfalten konnte, wenn Neubeurteilung beim Stadtrat verlangt worden sei.

Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass § 25 Abs. 2 lit. a VRG, wonach dem Rekurs gegen eine Kündigung keine aufschiebende Wirkung zukommt, auch im Neubeurteilungsverfahren zur Anwendung komme, zumal der Stadtrat "eine Kündigung wohl grundsätzlich auch nicht aufheben und die Weiterbeschäftigung anordnen" könne.

4.2  

4.2.1 Nach Art. 13 Abs. 1 lit. a des Personalstatuts vom 12. April 1999 (PST) ist der Stadtrat Anstellungsinstanz für die städtischen Angestellten; er kann diese Kompetenz – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen (siehe Abs. 2) – ganz oder teilweise an nachgeordnete Stellen delegieren (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Delegation Art. 44 f. des Gemeindegesetzes vom 20. April 2015 [GG, LS 131.1]). Von dieser Möglichkeit hat der Stadtrat mit Art. 13 der Vollzugsverordnung zum Personalstatut vom 20. Juni 2018 (VV PST) Gebrauch gemacht. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung ist die Departementsleitung Anstellungsinstanz für alle Angestellten, soweit diese Kompetenz nicht nach Art. 13 Abs. 2 PST dem Stadtrat vorbehalten ist. Die Departementsleitung ist zudem berechtigt, die Anstellungskompetenz ganz oder teilweise an die Leitung eines Bereichs oder einer nachgeordneten Verwaltungseinheit zu delegieren (Abs. 2). Im Sinn dieser Regelung wurde die streitgegenständliche (zweite) Kündigung von nachgeordneten Stellen des Departements Bau und Mobilität verfügt.

4.2.2 Werden Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen, kann gemäss § 170 GG bei der delegierenden Behörde – hier dem Stadtrat – Neubeurteilung verlangt werden. Das Begehren um Neubeurteilung ist innert 30 Tagen seit Mitteilung der Verfügung zu stellen (§ 171 Abs. 1 GG). Die delegierende Behörde überprüft die Anordnung uneingeschränkt und entscheidet neu (§ 171 Abs. 3 GG).

Diese Neubeurteilung von Entscheiden wurde mit der Totalrevision des Gemeindegesetzes eingeführt und ist das Korrelat zur gleichzeitig erweiterten Möglichkeit, Entscheidkompetenzen an nachgeordnete Instanzen bzw. an Verwaltungsangestellte zu delegieren (vgl. Antrag und Weisung des Regierungsrats zur Totalrevision des Gemeindegesetzes vom 20. März 2013 [Weisung GG, ABl 2013-04-19 {Meldungsnummer 00030197}], S. 130, 204 f.). Das Verfahren ist an das Einspracheverfahren angelehnt, unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass nicht die verfügende Stelle, sondern eine dieser übergeordnete Behörde die Neubeurteilung vornimmt (vgl. auch Weisung GG, S. 205). Der Regierungsrat wollte den Gemeinden freistellen, ob sie das Neubeurteilunsgverfahren vorsehen oder direkt den Rekurs zulassen wollen (siehe § 182 Abs. 5 E-GG; Weisung GG, S. 40, 101, 205); im Rahmen der Beratung im Kantonsrat wurde die Möglichkeit, das Neubeurteilungsverfahren auszuschliessen, gestrichen (Prot.-KR 2011–2015 S. 14256 f.).

4.2.3 Gemäss § 171 Abs. 2 GG kommt dem Lauf der Frist und der Einreichung des Begehrens um Neubeurteilung aufschiebende Wirkung zu. Weder schliesst § 171 GG die aufschiebende Wirkung für bestimmte Streitgegenstände aus, noch sieht diese Bestimmung vor, dass die anordnende oder die für die Neubeurteilung zuständige Behörde die aufschiebende Wirkung entziehen könnte. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die aufschiebende Wirkung gestützt auf § 4 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 VRG dennoch entzogen werden könne (Mischa Morgenbesser/Lorenzo Marazzotta, in: Tobias Jaag/Markus Rüssli/Vittorio Jenni [Hrsg.], Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, Zürich 2017, § 171 GG N. 7; vgl. auch Gemeindeamt des Kantons Zürich, Leitfaden Neubeurteilung von Anordnungen vom Januar 2021, Ziff. 4.2 [abrufbar unter www.zh.ch/de/politik-staat/gemeinden/rechtsschutz-aufsicht.html]). Die Vorinstanz hat sich dieser Auffassung sinngemäss angeschlossen und wendet § 25 Abs. 2 lit. a VRG, wonach bei einer Kündigung im Rekursverfahren keine aufschiebende Wirkung besteht, auch auf das Neubeurteilungsverfahren an.

4.2.4 Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet immer der Wortlaut der Bestimmung. Sind aufgrund einer Unklarheit des Gesetzestextes verschiedene Interpretationen möglich, muss unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden die wahre Tragweite der Bestimmung ermittelt werden (sogenannter Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck einer Regelung, auf die dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen sowie den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht (vgl. zum Ganzen BGE 148 II 243 E. 4.5.1, 143 II 699 E. 3.3). Vom klaren Wortlaut eines Rechtssatzes darf die Auslegung indes nur abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt (BGE 135 II 138 E. 2.2.3, 131 II 217 E. 2.3).

Gemäss § 4 VRG gelten die Bestimmungen des zweiten Abschnitts des Verwaltungsrechtspflegegesetzes über das Verwaltungsverfahren – wozu auch § 25 VRG betreffend aufschiebende Wirkung des Rekurses zählt – unter anderem für das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden der Gemeinden, soweit nicht abweichende Vorschriften bestehen. Die Frage der aufschiebenden Wirkung ist in § 171 Abs. 2 GG spezialgesetzlich geregelt; es besteht mithin eine abweichende Vorschrift, welche die Anwendbarkeit von § 25 VRG nach dem klaren Wortlaut von § 4 VRG und § 171 Abs. 2 GG ausschliesst.

4.2.5 Es bleibt zu prüfen, ob die Regelung in § 171 Abs. 2 GG insofern lückenhaft ist, als es an einer Bestimmung zum Entzug der aufschiebenden Wirkung fehlt. Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn eine Regelung unvollständig ist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend – im negativen Sinn – mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Rechtssinn eine Vorschrift entnommen werden kann. Gibt das Gesetz hingegen eine Antwort, die nicht zu einem befriedigenden Resultat führt, liegt eine unechte Lücke vor, die grundsätzlich hinzunehmen und nicht durch Übersteuerung der gesetzlichen Regelung vom Gericht zu füllen ist. Anders verhält es sich nur, wenn die vom Gesetz gegebene Antwort als sachlich unhaltbar angesehen werden muss bzw. auf einem offensichtlichen Versehen des Gesetzgebers, einer gesetzgeberischen Inkongruenz oder einer planwidrigen Unvollständigkeit beruht (zum Ganzen BGE 148 V 84 E. 7.1.2, 147 V 423 E. 4.2, 139 II 404 E. 4.2 [je mit Hinweisen]).

4.2.6 Eine (echte) Lücke im Gesetz besteht vorliegend nicht, denn indem der Gesetzgeber den Entzug der aufschiebenden Wirkung nicht regelte, entschied er diese Frage durch qualifiziertes Schweigen negativ. Eine ergänzende Anwendung von § 25 Abs. 3 VRG auf dem Weg der Auslegung liesse sich deshalb nur rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung zu entziehen, versehentlich ausschloss. Weder aus der Weisung des Regierungsrats noch aus der Debatte im Kantonsrat ergeben sich indes Hinweise, dass auch im Neubeurteilungsverfahren ein Entzug der aufschiebenden Wirkung hätte möglich sein sollen (vgl. Weisung GG, S. 205; Prot.-KR 2011–2015 S. 14257). Im Gegenteil ergibt sich aus der Weisung, dass die Verfahrensbestimmungen zur Neubeurteilung an die Regelung des Einspracheverfahrens nach § 10b VRG angelehnt sind. Dem Lauf der Einsprachefrist und der Einreichung der Einsprache kommt gemäss § 10b Abs. 2 VRG ebenfalls aufschiebende Wirkung zu, ohne dass die Möglichkeit bestünde, diese zu entziehen (siehe auch Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich etc. 2014, § 10b N. 9).

Entscheidend ist sodann Folgendes: Nach § 171 Abs. 3 GG überprüft die im Neubeurteilungsverfahren angerufene Behörde die Anordnung uneingeschränkt und entscheidet neu (insofern ist das Dispositiv des Stadtratbeschlusses, wonach das Neubeurteilungsgesuch abgewiesen werde, missverständlich). Mithin bewirkt das Neubeurteilungsverfahren – wiederum analog zum Einspracheverfahren (vgl. § 10b VRG) –, dass die angefochtene Anordnung durch eine neue Anordnung ersetzt wird. Erst die im Neubeurteilungsverfahren ergangene Anordnung ist ein zulässiges Anfechtungsobjekt im Rekursverfahren nach § 19 Abs. 1 lit. a VRG. Daraus, dass die angerufene Behörde im Rahmen des Neubeurteilungsverfahrens eine neue Anordnung zu erlassen hat, folgt, dass erst mit dieser Anordnung Rechtswirkungen entfaltet werden, wenn rechtzeitig Neubeurteilung verlangt worden ist. Allerdings ist in dem Sinn nur eine Überprüfung und nicht eine vollständige Neubeurteilung vorzunehmen, als der Neubeurteilungsentscheid grundsätzlich auf der Grundlage der Sachumstände und der Rechtslage im Zeitpunkt der Ausgangsverfügung erfolgt.

Anzumerken bleibt, dass die Vorinstanz mit ihrer Argumentation, der Stadtrat könne die Kündigung gar nicht aufheben, die Funktionsweise des Neubeurteilungsverfahrens verkennt. Der Stadtrat als delegierende Behörde muss eine Kündigungsverfügung im Neubeurteilungsverfahren uneingeschränkt überprüfen und neu entscheiden; bestätigt er die Kündigungsverfügung nicht, dauert das Anstellungsverhältnis mithin fort. § 27a Abs. 1 VRG, der die Entscheidungskompetenz der Rechtsmittelbehörden in dieser Frage einschränkt, kommt erst im Rekursverfahren zur Anwendung.

4.2.7 Für die streitgegenständliche Kündigung ergibt sich daraus Folgendes: Die Zulässigkeit der Kündigung ist auf der Grundlage der Sachumstände im Zeitpunkt der Ausgangsverfügung zu beurteilen; ebenso ist der Zeitpunkt der Zustellung der Ausgangsverfügung massgebend für die Dauer der Kündigungsfrist und für die Frage, ob ein Sperrfristtatbestand zur Nichtigkeit der Kündigung führte (wie dies die Vorinstanz für die erste Kündigung feststellte). Hingegen führen die aufschiebende Wirkung und der Umstand, dass die delegierende Behörde (hier der Stadtrat) noch einmal entscheiden muss, ob das Anstellungsverhältnis durch Kündigung aufgelöst wird, dazu, dass die Kündigungsfrist mit der Zustellung des Neubeurteilungsentscheids (erneut) zu laufen beginnt, andernfalls der Schutzzweck der Kündigungsfrist vereitelt würde. Insofern hemmt die aufschiebende Wirkung des Neubeurteilungsverfahrens die Rechtswirkungen der Kündigung.

4.3 Nach dem Gesagten dringt der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation insofern durch, als die Kündigungsfrist vorliegend erst mit Zustellung des Neubeurteilungsentscheids zu laufen begann; die Angabe des Beschwerdeführers, dass er den Neubeurteilungsentscheid am 1. September 2021 erhalten hat, blieb unbestritten, weshalb das Anstellungsverhältnis bis am 31. Dezember 2021 dauerte. Dies ist im Dispositiv dieses Entscheids festzustellen. Ob und in welcher Höhe dem Beschwerdeführer – der angibt, am 1. September 2021 eine neue Stelle angetreten zu haben – für die Zeit vom 1. September bis zum 31. Dezember 2021 Lohn zusteht, ist durch die Beschwerdegegnerin zu prüfen.

5.  

5.1 Gemäss Art. 19 Abs. 2 PST darf die Kündigung durch die Stadt Winterthur nicht missbräuchlich sein und setzt sie einen sachlich zureichenden Grund voraus.

Mit dem Erfordernis des sachlich zureichenden Kündigungsgrunds geht der öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz weiter als die Missbrauchstatbestände des Obligationenrechts (BGr, 14. Dezember 2012, 8C_649/2012, E. 8.1, und 25. August 2011, 8C_594/2010, E. 4.4 mit Hinweisen). Grundsätzlich ist eine Kündigung dann sachlich begründet, wenn die Weiterbeschäftigung der betreffenden angestellten Person dem öffentlichen Interesse, insbesondere demjenigen einer gut funktionierenden Verwaltung, widerspricht.

Ein sachlicher Grund besteht nach Art. 19 Abs. 1 lit. a VV PST unter anderem bei unbefriedigendem Verhalten; solches liegt etwa vor, wenn das Verhalten der arbeitnehmenden Person zu einer Störung der Arbeitsgemeinschaft oder des Betriebsablaufs führt, wenn sich diese nicht in den Betrieb einordnen kann oder ihr der Wille zur vertrauensvollen Zusammenarbeit fehlt (vgl. VGr, 30. August 2023, VB.2023.00079, E. 4 ff. – 25. Mai 2023, VB.2022.00343, E. 3 f. – 28. September 2021, VB.2021.00258, E. 3 f.). Vorbehalten bleiben stets die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken wie das Willkürverbot, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verhältnismässigkeitsprinzip (VGr, 24. Juni 2020, VB.2019.00342, E. 2.2).

5.2 Eine Kündigung aufgrund mangelhaften Verhaltens setzt gemäss Art. 20 Abs. 1 PST eine schriftliche Abmahnung voraus. Wenn der Sachverhalt dies erfordert, setzt die Anstellungsinstanz zudem eine Bewährungsfrist an oder eröffnet ein gleichwertiges Verfahren, das auf eine Besserung zielt (Art. 20 Abs. 2 PST; siehe auch Art. 19 ff. VV PST).

6.  

6.1 Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer war ab dem 1. September 2018 für die Beschwerdegegnerin tätig. Bereits in der Probezeitbeurteilung vom 23. November 2018 wurde festgehalten, dass bei ihm "einige Stimmungsschwankungen" festgestellt worden seien. Am 15. Juli 2019 mahnte der Werkstattleiter den Beschwerdeführer wegen unkollegialen Verhaltens ab und drohte ihm die Einleitung weiterer arbeitsrechtlicher Schritte an, sollte sich sein Verhalten nicht bessern. In der darauffolgenden Mitarbeiterbeurteilung vom 8. November 2019 lobte der Vorgesetzte zwar, dass das kollegiale Verhalten sich in letzter Zeit stark verbessert habe, hielt aber zugleich fest, dass teilweise "der Respekt gegenüber anderen Mitarbeitern der Werkstatt" fehle. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2019 mahnten der Leiter des Strasseninspektorats und die Leiterin des Personaldiensts den Beschwerdeführer erneut ab und setzten ihm eine Bewährungsfrist bis zum 31. März 2020. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer sich wiederholt abschätzig gegenüber Arbeitskolleginnen und -kollegen geäussert und diese etwa als "Knacknasen" oder eine Arbeitskollegin als "Blondinchen" betitelt habe. Weil der Beschwerdeführer in der Folge während längerer Zeit ganz oder teilweise arbeitsunfähig war, wurde die Bewährungsfrist bis zum 17. August 2020 verlängert. Anlässlich eines Gesprächs vom 24. September 2020 hielten die Vorgesetzten einerseits fest, dass der Beschwerdeführer die Bewährungsfrist "bestanden" habe, anderseits griffen sie einen Vorfall auf, der sich nach dem Ende der Bewährungsfrist am 17. September 2020 zugetragen habe: Der Beschwerdeführer habe dem Arbeitskollegen C, der am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers vorbeigegangen sei, gesagt: "Du kannst aussenrum, du Lutscher". Im anschliessenden Gespräch mit dem stellvertretenden Werkstattleiter habe er zudem gesagt, "[d]ie Jungs dahinten" seien Alkoholiker, er wisse nicht, ob die auf Drogen seien, er nehme Gespräche auf dem Mobiltelefon auf, es sei wie im Krieg, da würden nur die Toten gezählt. Schliesslich habe er zu C am späteren Nachmittag gesagt: "Wenn du ein Problem mit mir hast, können wir das nach der Arbeitszeit regeln." Der Beschwerdeführer bestritt die ihm vorgeworfenen Aussagen anlässlich des Gesprächs nicht, machte aber geltend, er sei ebenfalls beleidigt worden und die Aussage am späteren Nachmittag habe er nicht als Drohung gemeint. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer eröffnet, dass die Beschwerdegegnerin beabsichtigte, das Anstellungsverhältnis aufgrund des erneuten Vorfalls aufzulösen, und ihm hierzu das rechtliche Gehör gewährt. Er nahm am 26. Oktober 2020 und – nach Zustellung weiterer Aktenstücke – am 25. November 2020 Stellung.

Am 15. Dezember 2020 soll der Beschwerdeführer zu C gesagt haben: "Irgendwann bekommst du auf die Fresse". Wegen dieses Vorfalls stellte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer am 16. Dezember 2020 einstweilen frei und lud ihn für den 21. Dezember 2020 zu einer Befragung ein. Am 21. Dezember 2020 teilte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Beschwerdegegnerin mit, dass der Beschwerdeführer bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei, und stellte eine schriftliche Stellungnahme bis zum 31. Dezember 2021 in Aussicht. In der Folge erging zunächst am 22. März 2021 die von der Vorinstanz für nichtig erklärte Kündigung und am 12. Mai 2021 bzw. mit Neubeurteilungsentscheid vom 25. August 2021 die streitgegenständliche Kündigung.

6.2 Der Beschwerdeführer wurde seit Beginn der Anstellung wiederholt ermahnt, sich in seiner Ausdrucksweise zu mässigen und unkollegiales Verhalten zu unterlassen. Weder die Ermahnung im Juli 2019 noch die im Dezember 2019 angesetzte Bewährungsfrist bewirkten eine nachhaltige Änderung. Die Bezeichnung eines Arbeitskollegen als "Lutscher" bzw. die Unterstellung, die Arbeitskollegen seien alkoholabhängig und konsumierten Drogen sowie das "Angebot" an den Arbeitskollegen, die Angelegenheit nach der Arbeit zu klären, sind als mangelhaftes Verhalten zu qualifizieren, das die Beschwerdegegnerin angesichts der Vorgeschichte zur Kündigung berechtigte.

Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, überzeugt nicht. Soweit er behauptet, von C provoziert worden zu sein, vermöchte dies die nachfolgende Beleidung nicht zu rechtfertigen, denn der Beschwerdeführer hätte C auch mit normalen Worten bitten können, einen anderen Weg zu nehmen. Es kann deshalb offenbleiben, ob C wirklich unnötig nahe am Beschwerdeführer vorbeiging, wie dieser behauptet. Die Argumentation des Beschwerdeführers, Lutscher sei auch die Bezeichnung für ein Bonbon am Stil bzw. einen Schnuller, verfängt sodann nicht, denn hier ist aufgrund der Umstände offenkundig, dass das Wort im beleidigenden Sinn verwendet wurde.

Soweit der Beschwerdeführer die Aussage gegenüber C, man könnte die Angelegenheit nach der Arbeit regeln, nicht als Drohung verstanden haben will, ist ihm ebenfalls nicht zu folgen. Unabhängig von der Wortwahl (der Beschwerdeführer will von "Ausdiskutieren" gesprochen haben) hat der Hinweis, man könne einen Konflikt ausserhalb des geschützten Rahmens des Arbeitsplatzes regeln oder ausdiskutieren, vor dem Hintergrund des vorangegangenen Verhaltens des Beschwerdeführers drohenden Charakter.

Sodann war das Fehlverhalten des Beschwerdeführers am 17. September 2020 mit Blick auf die zuvor ergangene Verwarnung entgegen dem Beschwerdeführer einschlägig. Auch dass die Bewährungsfrist zuvor erfolgreich abgeschlossen worden war, stand einer Kündigung nicht entgegen, zumal Art. 21 Abs. 6 VV PST die direkte Kündigung ausdrücklich erlaubt, wenn Angestellte innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der Bewährungsfrist erneut aus denselben oder vergleichbaren Gründen Anlass zur Beanstandungen geben; diese Regelung entspricht der verwaltungsgerichtlichen Praxis zum kantonalen Personalrecht (VGr, 28. Januar 2022, VB.2021.00179, E. 4.2 Abs. 3).

Schliesslich ergibt sich aus der Abmahnung vom 11. Dezember 2019 mit hinreichender Klarheit, inwiefern der Beschwerdeführer sein Verhalten zu verbessern habe, und sind die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen auch hinreichend in den Akten dokumentiert. Auch die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet.

7.  

Nach dem Gesagten ist in teilweiser Gutheissung der Beschwerde festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 2021 dauerte. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.

8.  

8.1 Weil der Streitwert mehr als Fr. 30'000.- beträgt (vorne E. 2), ist das Verfahren kostenpflichtig (§ 65a Abs. 3 VRG). Ausgangsgemäss sind die Kosten zu zwei Drittel dem Beschwerdeführer und zu einem Drittel der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 1 VRG).

8.2 Da der Beschwerdeführer nicht überwiegend obsiegt, steht ihm keine Parteientschädigung zu (§ 17 Abs. 2 VRG). Der in ihrem amtlichen Wirkungskreis tätig gewordenen Beschwerdegegnerin ist praxisgemäss ebenfalls keine Parteientschädigung zuzusprechen (VGr, 22. Juni 2023, VB.2022.00754, E. 7 Abs. 2 mit Hinweisen).

9.  

Der Streitwert beträgt mehr als Fr. 15'000.-, weshalb als Rechtsmittel auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) zu verweisen ist (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.    In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 2021 dauerte.

       Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2.    Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 6'000.--;    die übrigen Kosten betragen:
Fr.    120.--     Zustellkosten,
Fr. 6'120.--     Total der Kosten.

3.    Die Gerichtskosten werden zu zwei Drittel dem Beschwerdeführer und zu einem Drittel der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.    Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen.

5.    Gegen dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG erhoben werden. Sie ist innert 30 Tagen ab Zustellung einzureichen beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14.

6.    Mitteilung an:
a)    die Parteien;
b)    den Bezirksrat Winterthur.