Verwaltungsgericht
des
Kantons Zürich
4. Abteilung
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VB.2023.00224
Urteil
der 4. Kammer
vom 22. November 2023
Mitwirkend: Verwaltungsrichter Reto Häggi Furrer (Vorsitz), Verwaltungsrichter André Moser, Verwaltungsrichter
Martin Bertschi, Gerichtsschreiberin
Sonja Güntert.
In Sachen
A, vertreten durch RA B,
Beschwerdeführer,
gegen
Stadt Winterthur, vertreten durch den Stadtrat
Winterthur,
Beschwerdegegnerin,
betreffend Kündigung,
hat sich ergeben:
I.
A. A war
seit dem 1. September 2018 als Schlosser für das Tiefbauamt im Departement
Bau und Mobilität der Stadt Winterthur tätig. Am 15. Juli 2019 wurde A
wegen unkollegialen Verhaltens am Arbeitsplatz abgemahnt. Aus dem gleichen
Grund wurde ihm im Dezember 2019 eine Bewährungsfrist angesetzt. Mit Verfügung
vom 22. März 2021 löste das Departement Bau und Mobilität das
Anstellungsverhältnis per Ende Juni 2021 auf. Mit Neubeurteilungsentscheid vom
25. August 2021 bestätigte der Stadtrat die Kündigung.
B. Einen
hiergegen erhobenen Rekurs hiess der Bezirksrat Winterthur mit Beschluss vom
29. April 2022 gut und stellte fest, dass die Kündigung nichtig sei, weil
sie während einer Sperrfrist wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit
ausgesprochen worden sei.
C. Mit
Verfügung vom 12. Mai 2021 hatte das Departement Bau und Mobilität das
Anstellungsverhältnis "für den Fall, dass die von Ihnen geltend gemachte
Nichtigkeit der Kündigung vom 22. März 2021 bestätigt werden sollte"
per Ende August 2021 erneut aufgelöst und einem allfälligen Gesuch um
Neubeurteilung die aufschiebende Wirkung entzogen. Der Stadtrat Winterthur
bestätigte die Kündigung mit Neubeurteilungsentscheid vom 25. August 2021.
II.
Einen gegen den Neubeurteilungsentscheid betreffend zweite
Kündigung erhobenen Rekurs wies der Bezirksrat Winterthur mit Beschluss vom
24. Februar 2023 ab.
III.
A erhob am 26. April 2023 Beschwerde beim
Verwaltungsgericht und beantragte, unter Entschädigungsfolge sei der
Rekursentscheid aufzuheben und festzustellen, dass die Kündigung vom
12. Mai 2021 nichtig sei, eventualiter sei festzustellen, dass die
Kündigung missbräuchlich und sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei, und es
sei ihm eine Entschädigung von "mindestens Fr. 18'282.-- brutto"
zuzüglich 5 % Zins seit dem 1. September 2021 zuzusprechen. Die Stadt
Winterthur beantragte am 17. Mai 2023 die Abweisung der Beschwerde unter
Entschädigungsfolge, der Bezirksrat Winterthur schloss mit Vernehmlassung vom
26. Mai 2023 ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde. Mit weiteren
Stellungnahmen von A vom 19. Juni 2023 und der Stadt Winterthur vom
26. Juni 2023 wurde an den jeweiligen Anträgen festgehalten.
Die Kammer erwägt:
1.
Das Verwaltungsgericht ist
für Beschwerden gegen Rekursentscheide eines Bezirksrats betreffend
personalrechtliche Anordnungen einer Gemeinde gemäss §§ 41 ff. des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG, LS 175.2)
zuständig.
Weil auch die weiteren
Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Wird beantragt, es sei die Nichtigkeit einer Kündigung
festzustellen, entspricht der Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
nach neuerer Praxis des Verwaltungsgerichts dem Bruttolohn für ein Jahr (VGr,
11. Mai 2023, VB.2022.00294, E. 2 – 30. März 2023,
VB.2022.00608, E. 1.3 – 8. Dezember 2022, VB.2022.00281, E. 2).
Damit beträgt der Streitwert vorliegend rund Fr. 80'000.-, weshalb die
Angelegenheit in die Zuständigkeit der Kammer fällt (§ 38 Abs. 1 in
Verbindung mit § 38b Abs. 1 lit. c e contrario VRG).
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Verfügung vom
12. Mai 2021 handle es sich um eine unzulässige bedingte Kündigung, weil
sie nur für den Fall erlassen worden sei, dass die erste Kündigung nichtig sei.
Die Rüge ist unbegründet. Die streitgegenständliche
Kündigung steht einzig unter dem Vorbehalt, dass das Anstellungsverhältnis
nicht bereits mit der Kündigung vom 22. März 2022 rechtsgültig aufgelöst
wurde. Dabei handelt es sich nicht um eine Bedingung im rechtlichen Sinn.
Vielmehr stellt der Beschwerdegegner damit klar, dass die Verfügung überhaupt
nur für den Fall Rechtswirkungen entfaltet, als das Anstellungsverhältnis wegen
Nichtigkeit der ersten Kündigung noch nicht aufgelöst worden ist; war die erste
Kündigung nichtig, ist dem Arbeitgeber selbstredend nicht verwehrt, die
Kündigung erneut auszusprechen, wobei er nicht warten muss, bis die Nichtigkeit
rechtskräftig festgestellt wurde. Der strittige Vorbehalt ist in solchen Fällen
im Übrigen notwendig, um klarzustellen, dass die zweite Kündigungsverfügung
nicht zu einer Wiedererwägung der ersten Kündigungsverfügung führt, sollte
diese rechtsgültig ergangen sein (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens auch
VGr, 24. November 2017, VB.2017.00575, E. 2.1 f.; ferner Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph, Arbeitsvertrag,
7. A., Zürich etc. 2012, Art. 335 N. 3; zur Notwendigkeit
eines entsprechenden Vorbehalts VGr, 30. April 2020, VB.2019.00572,
E. 5.4).
4.
4.1 Weiter
rügt der Beschwerdeführer, das Departement Bau und Mobilität habe die
aufschiebende Wirkung des Neubeurteilungsverfahrens nicht entziehen dürfen; er
hätte bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterbeschäftigt werden
müssen. Sinngemäss macht er damit geltend, dass die Ausgangsverfügung gar keine
Rechtswirkungen entfalten konnte, wenn Neubeurteilung beim Stadtrat verlangt
worden sei.
Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass § 25 Abs. 2
lit. a VRG, wonach dem Rekurs gegen eine Kündigung keine aufschiebende
Wirkung zukommt, auch im Neubeurteilungsverfahren zur Anwendung komme, zumal
der Stadtrat "eine Kündigung wohl grundsätzlich auch nicht aufheben und
die Weiterbeschäftigung anordnen" könne.
4.2
4.2.1
Nach Art. 13 Abs. 1 lit. a des Personalstatuts vom
12. April 1999 (PST) ist der Stadtrat Anstellungsinstanz für die
städtischen Angestellten; er kann diese Kompetenz – abgesehen von hier nicht
einschlägigen Ausnahmen (siehe Abs. 2) – ganz oder teilweise an
nachgeordnete Stellen delegieren (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen
Delegation Art. 44 f. des Gemeindegesetzes vom 20. April 2015
[GG, LS 131.1]). Von dieser Möglichkeit hat der Stadtrat mit Art. 13 der Vollzugsverordnung
zum Personalstatut vom 20. Juni 2018 (VV PST) Gebrauch gemacht. Gemäss
Abs. 1 dieser Bestimmung ist die Departementsleitung Anstellungsinstanz
für alle Angestellten, soweit diese Kompetenz nicht nach Art. 13
Abs. 2 PST dem Stadtrat vorbehalten ist. Die Departementsleitung ist zudem
berechtigt, die Anstellungskompetenz ganz oder teilweise an die Leitung eines
Bereichs oder einer nachgeordneten Verwaltungseinheit zu delegieren (Abs. 2).
Im Sinn dieser Regelung wurde die streitgegenständliche (zweite) Kündigung von nachgeordneten
Stellen des Departements Bau und Mobilität verfügt.
4.2.2
Werden Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen, kann gemäss
§ 170 GG bei der delegierenden Behörde – hier dem Stadtrat –
Neubeurteilung verlangt werden. Das Begehren um Neubeurteilung ist innert 30 Tagen
seit Mitteilung der Verfügung zu stellen (§ 171 Abs. 1 GG). Die
delegierende Behörde überprüft die Anordnung uneingeschränkt und entscheidet
neu (§ 171 Abs. 3 GG).
Diese Neubeurteilung von Entscheiden wurde mit der
Totalrevision des Gemeindegesetzes eingeführt und ist das Korrelat zur
gleichzeitig erweiterten Möglichkeit, Entscheidkompetenzen an nachgeordnete
Instanzen bzw. an Verwaltungsangestellte zu delegieren (vgl. Antrag und
Weisung des Regierungsrats zur Totalrevision des Gemeindegesetzes vom 20. März
2013 [Weisung GG, ABl 2013-04-19 {Meldungsnummer 00030197}], S. 130,
204 f.). Das Verfahren ist an das Einspracheverfahren angelehnt,
unterscheidet sich von diesem aber dadurch, dass nicht die verfügende Stelle,
sondern eine dieser übergeordnete Behörde die Neubeurteilung vornimmt (vgl.
auch Weisung GG, S. 205). Der Regierungsrat wollte den Gemeinden
freistellen, ob sie das Neubeurteilunsgverfahren vorsehen oder direkt den
Rekurs zulassen wollen (siehe § 182 Abs. 5 E-GG; Weisung GG,
S. 40, 101, 205); im Rahmen der Beratung im Kantonsrat wurde die
Möglichkeit, das Neubeurteilungsverfahren auszuschliessen, gestrichen (Prot.-KR
2011–2015 S. 14256 f.).
4.2.3
Gemäss § 171 Abs. 2 GG kommt dem Lauf der Frist und der
Einreichung des Begehrens um Neubeurteilung aufschiebende Wirkung zu. Weder
schliesst § 171 GG die aufschiebende Wirkung für bestimmte Streitgegenstände
aus, noch sieht diese Bestimmung vor, dass die anordnende oder die für die
Neubeurteilung zuständige Behörde die aufschiebende Wirkung entziehen könnte.
In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass die aufschiebende Wirkung
gestützt auf § 4 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 VRG dennoch entzogen
werden könne (Mischa Morgenbesser/Lorenzo Marazzotta, in: Tobias Jaag/Markus
Rüssli/Vittorio Jenni [Hrsg.], Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz, Zürich
2017, § 171 GG N. 7; vgl. auch Gemeindeamt des Kantons Zürich,
Leitfaden Neubeurteilung von Anordnungen vom Januar 2021, Ziff. 4.2
[abrufbar unter www.zh.ch/de/politik-staat/gemeinden/rechtsschutz-aufsicht.html]).
Die Vorinstanz hat sich dieser Auffassung sinngemäss angeschlossen und wendet
§ 25 Abs. 2 lit. a VRG, wonach bei einer Kündigung im
Rekursverfahren keine aufschiebende Wirkung besteht, auch auf das
Neubeurteilungsverfahren an.
4.2.4
Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet immer der Wortlaut der
Bestimmung. Sind aufgrund einer Unklarheit des Gesetzestextes verschiedene
Interpretationen möglich, muss unter Berücksichtigung aller Auslegungsmethoden
die wahre Tragweite der Bestimmung ermittelt werden (sogenannter
Methodenpluralismus). Dabei kommt es namentlich auf den Zweck einer Regelung,
auf die dem Gesetz zugrunde liegenden Wertungen sowie den Sinnzusammenhang an,
in dem die Norm steht (vgl. zum Ganzen BGE 148 II 243 E. 4.5.1, 143
II 699 E. 3.3). Vom klaren Wortlaut eines Rechtssatzes darf die Auslegung indes
nur abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren
Sinn der Bestimmung wiedergibt (BGE 135 II 138 E. 2.2.3, 131 II 217
E. 2.3).
Gemäss § 4 VRG gelten die Bestimmungen des zweiten
Abschnitts des Verwaltungsrechtspflegegesetzes über das Verwaltungsverfahren –
wozu auch § 25 VRG betreffend aufschiebende Wirkung des Rekurses zählt –
unter anderem für das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden der Gemeinden,
soweit nicht abweichende Vorschriften bestehen. Die Frage der aufschiebenden
Wirkung ist in § 171 Abs. 2 GG spezialgesetzlich geregelt; es besteht
mithin eine abweichende Vorschrift, welche die Anwendbarkeit von § 25 VRG
nach dem klaren Wortlaut von § 4 VRG und § 171 Abs. 2 GG
ausschliesst.
4.2.5 Es bleibt zu prüfen, ob die Regelung in § 171
Abs. 2 GG insofern lückenhaft ist, als es an einer Bestimmung zum Entzug
der aufschiebenden Wirkung fehlt. Eine Lücke im Gesetz besteht,
wenn eine Regelung unvollständig ist, weil sie jede Antwort auf die sich
stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage
nicht übersehen, sondern stillschweigend – im negativen Sinn – mitentschieden
(qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung.
Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu
regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz
diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu
ermittelnden Rechtssinn eine Vorschrift entnommen werden kann. Gibt das Gesetz
hingegen eine Antwort, die nicht zu einem befriedigenden Resultat führt, liegt
eine unechte Lücke vor, die grundsätzlich hinzunehmen und nicht durch
Übersteuerung der gesetzlichen Regelung vom Gericht zu füllen ist. Anders
verhält es sich nur, wenn die vom Gesetz gegebene Antwort als sachlich
unhaltbar angesehen werden muss bzw. auf einem offensichtlichen Versehen des
Gesetzgebers, einer gesetzgeberischen Inkongruenz oder einer planwidrigen
Unvollständigkeit beruht (zum Ganzen BGE 148 V 84 E. 7.1.2, 147 V 423
E. 4.2, 139 II 404 E. 4.2 [je mit Hinweisen]).
4.2.6 Eine (echte) Lücke im Gesetz besteht
vorliegend nicht, denn indem der Gesetzgeber den Entzug der aufschiebenden
Wirkung nicht regelte, entschied er diese Frage durch qualifiziertes Schweigen
negativ. Eine ergänzende Anwendung von § 25 Abs. 3 VRG auf dem Weg
der Auslegung liesse sich deshalb nur rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber die
Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung zu entziehen, versehentlich ausschloss.
Weder aus der Weisung des Regierungsrats noch aus der Debatte im Kantonsrat
ergeben sich indes Hinweise, dass auch im Neubeurteilungsverfahren ein Entzug
der aufschiebenden Wirkung hätte möglich sein sollen (vgl. Weisung GG,
S. 205; Prot.-KR 2011–2015 S. 14257). Im
Gegenteil ergibt sich aus der Weisung, dass die Verfahrensbestimmungen zur
Neubeurteilung an die Regelung des Einspracheverfahrens nach § 10b VRG
angelehnt sind. Dem Lauf der Einsprachefrist und der Einreichung der Einsprache
kommt gemäss § 10b Abs. 2 VRG ebenfalls aufschiebende Wirkung zu,
ohne dass die Möglichkeit bestünde, diese zu entziehen (siehe auch Kaspar
Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz
des Kantons Zürich, 3. A., Zürich etc. 2014, § 10b N. 9).
Entscheidend ist
sodann Folgendes: Nach § 171 Abs. 3 GG überprüft die im
Neubeurteilungsverfahren angerufene Behörde die Anordnung uneingeschränkt und
entscheidet neu (insofern ist das Dispositiv des Stadtratbeschlusses, wonach
das Neubeurteilungsgesuch abgewiesen werde, missverständlich). Mithin bewirkt
das Neubeurteilungsverfahren – wiederum analog zum Einspracheverfahren (vgl. § 10b
VRG) –, dass die angefochtene Anordnung durch eine neue Anordnung ersetzt wird.
Erst die im Neubeurteilungsverfahren ergangene Anordnung ist ein zulässiges
Anfechtungsobjekt im Rekursverfahren nach § 19 Abs. 1 lit. a
VRG. Daraus, dass die angerufene Behörde im Rahmen des
Neubeurteilungsverfahrens eine neue Anordnung zu erlassen hat, folgt, dass erst
mit dieser Anordnung Rechtswirkungen entfaltet werden, wenn rechtzeitig
Neubeurteilung verlangt worden ist. Allerdings ist in dem Sinn nur eine
Überprüfung und nicht eine vollständige Neubeurteilung vorzunehmen, als der
Neubeurteilungsentscheid grundsätzlich auf der Grundlage der Sachumstände und
der Rechtslage im Zeitpunkt der Ausgangsverfügung erfolgt.
Anzumerken bleibt, dass die
Vorinstanz mit ihrer Argumentation, der Stadtrat könne die Kündigung gar nicht
aufheben, die Funktionsweise des Neubeurteilungsverfahrens verkennt. Der
Stadtrat als delegierende Behörde muss eine Kündigungsverfügung im Neubeurteilungsverfahren
uneingeschränkt überprüfen und neu entscheiden; bestätigt er die
Kündigungsverfügung nicht, dauert das Anstellungsverhältnis mithin fort.
§ 27a Abs. 1 VRG, der die Entscheidungskompetenz der
Rechtsmittelbehörden in dieser Frage einschränkt, kommt erst im Rekursverfahren
zur Anwendung.
4.2.7
Für die streitgegenständliche Kündigung ergibt sich daraus Folgendes: Die
Zulässigkeit der Kündigung ist auf der Grundlage der Sachumstände im Zeitpunkt
der Ausgangsverfügung zu beurteilen; ebenso ist der Zeitpunkt der Zustellung
der Ausgangsverfügung massgebend für die Dauer der Kündigungsfrist und für die
Frage, ob ein Sperrfristtatbestand zur Nichtigkeit der Kündigung führte (wie
dies die Vorinstanz für die erste Kündigung feststellte). Hingegen führen die
aufschiebende Wirkung und der Umstand, dass die delegierende Behörde (hier der
Stadtrat) noch einmal entscheiden muss, ob das Anstellungsverhältnis durch
Kündigung aufgelöst wird, dazu, dass die Kündigungsfrist mit der Zustellung des
Neubeurteilungsentscheids (erneut) zu laufen beginnt, andernfalls der
Schutzzweck der Kündigungsfrist vereitelt würde. Insofern hemmt die
aufschiebende Wirkung des Neubeurteilungsverfahrens die Rechtswirkungen der
Kündigung.
4.3 Nach dem Gesagten dringt der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation
insofern durch, als die Kündigungsfrist vorliegend erst mit Zustellung des
Neubeurteilungsentscheids zu laufen begann; die Angabe des Beschwerdeführers,
dass er den Neubeurteilungsentscheid am 1. September 2021 erhalten hat,
blieb unbestritten, weshalb das Anstellungsverhältnis bis am 31. Dezember
2021 dauerte. Dies ist im Dispositiv dieses Entscheids festzustellen. Ob und in
welcher Höhe dem Beschwerdeführer – der angibt, am 1. September 2021 eine
neue Stelle angetreten zu haben – für die Zeit vom 1. September bis zum
31. Dezember 2021 Lohn zusteht, ist durch die Beschwerdegegnerin zu
prüfen.
5.
5.1 Gemäss
Art. 19 Abs. 2 PST darf die Kündigung durch die Stadt Winterthur nicht
missbräuchlich sein und setzt sie einen sachlich zureichenden Grund voraus.
Mit dem Erfordernis des sachlich zureichenden
Kündigungsgrunds geht der öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz weiter als die
Missbrauchstatbestände des Obligationenrechts (BGr, 14. Dezember 2012,
8C_649/2012, E. 8.1, und 25. August 2011, 8C_594/2010, E. 4.4
mit Hinweisen). Grundsätzlich ist eine Kündigung dann
sachlich begründet, wenn die Weiterbeschäftigung der betreffenden angestellten
Person dem öffentlichen Interesse, insbesondere demjenigen einer gut
funktionierenden Verwaltung, widerspricht.
Ein sachlicher Grund besteht nach Art. 19 Abs. 1 lit. a
VV PST unter anderem bei unbefriedigendem Verhalten; solches liegt etwa vor,
wenn das Verhalten der arbeitnehmenden Person zu einer Störung der Arbeitsgemeinschaft
oder des Betriebsablaufs führt, wenn sich diese nicht in den Betrieb einordnen
kann oder ihr der Wille zur vertrauensvollen Zusammenarbeit fehlt (vgl. VGr, 30. August
2023, VB.2023.00079, E. 4 ff. – 25. Mai 2023, VB.2022.00343,
E. 3 f. – 28. September 2021, VB.2021.00258, E. 3 f.).
Vorbehalten bleiben stets die allgemeinen verfassungsrechtlichen Schranken wie
das Willkürverbot, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie das
Verhältnismässigkeitsprinzip (VGr, 24. Juni 2020, VB.2019.00342,
E. 2.2).
5.2 Eine
Kündigung aufgrund mangelhaften Verhaltens setzt gemäss Art. 20
Abs. 1 PST eine schriftliche Abmahnung voraus. Wenn der Sachverhalt dies
erfordert, setzt die Anstellungsinstanz zudem eine Bewährungsfrist an oder
eröffnet ein gleichwertiges Verfahren, das auf eine Besserung zielt (Art. 20
Abs. 2 PST; siehe auch Art. 19 ff. VV PST).
6.
6.1 Der
Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beschwerdeführer war ab dem 1. September 2018 für
die Beschwerdegegnerin tätig. Bereits in der Probezeitbeurteilung vom
23. November 2018 wurde festgehalten, dass bei ihm "einige
Stimmungsschwankungen" festgestellt worden seien. Am 15. Juli 2019
mahnte der Werkstattleiter den Beschwerdeführer wegen unkollegialen Verhaltens
ab und drohte ihm die Einleitung weiterer arbeitsrechtlicher Schritte an,
sollte sich sein Verhalten nicht bessern. In der darauffolgenden
Mitarbeiterbeurteilung vom 8. November 2019 lobte der Vorgesetzte zwar,
dass das kollegiale Verhalten sich in letzter Zeit stark verbessert habe, hielt
aber zugleich fest, dass teilweise "der Respekt gegenüber anderen
Mitarbeitern der Werkstatt" fehle. Mit Schreiben vom 11. Dezember
2019 mahnten der Leiter des Strasseninspektorats und die Leiterin des
Personaldiensts den Beschwerdeführer erneut ab und setzten ihm eine
Bewährungsfrist bis zum 31. März 2020. Begründet wurde dies damit, dass
der Beschwerdeführer sich wiederholt abschätzig gegenüber Arbeitskolleginnen
und -kollegen geäussert und diese etwa als "Knacknasen" oder eine
Arbeitskollegin als "Blondinchen" betitelt habe. Weil der
Beschwerdeführer in der Folge während längerer Zeit ganz oder teilweise
arbeitsunfähig war, wurde die Bewährungsfrist bis zum 17. August 2020
verlängert. Anlässlich eines Gesprächs vom 24. September 2020 hielten die
Vorgesetzten einerseits fest, dass der Beschwerdeführer die Bewährungsfrist
"bestanden" habe, anderseits griffen sie einen Vorfall auf, der sich
nach dem Ende der Bewährungsfrist am 17. September 2020 zugetragen habe:
Der Beschwerdeführer habe dem Arbeitskollegen C, der am Arbeitsplatz des
Beschwerdeführers vorbeigegangen sei, gesagt: "Du kannst aussenrum, du
Lutscher". Im anschliessenden Gespräch mit dem stellvertretenden
Werkstattleiter habe er zudem gesagt, "[d]ie Jungs dahinten" seien
Alkoholiker, er wisse nicht, ob die auf Drogen seien, er nehme Gespräche auf
dem Mobiltelefon auf, es sei wie im Krieg, da würden nur die Toten gezählt. Schliesslich
habe er zu C am späteren Nachmittag gesagt: "Wenn du ein Problem mit mir
hast, können wir das nach der Arbeitszeit regeln." Der Beschwerdeführer
bestritt die ihm vorgeworfenen Aussagen anlässlich des Gesprächs nicht, machte
aber geltend, er sei ebenfalls beleidigt worden und die Aussage am späteren
Nachmittag habe er nicht als Drohung gemeint. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer
eröffnet, dass die Beschwerdegegnerin beabsichtigte, das Anstellungsverhältnis
aufgrund des erneuten Vorfalls aufzulösen, und ihm hierzu das rechtliche Gehör
gewährt. Er nahm am 26. Oktober 2020 und – nach Zustellung weiterer
Aktenstücke – am 25. November 2020 Stellung.
Am 15. Dezember 2020 soll der Beschwerdeführer zu C
gesagt haben: "Irgendwann bekommst du auf die Fresse". Wegen dieses
Vorfalls stellte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer am
16. Dezember 2020 einstweilen frei und lud ihn für den 21. Dezember
2020 zu einer Befragung ein. Am 21. Dezember 2020 teilte der
Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der Beschwerdegegnerin mit, dass der
Beschwerdeführer bis auf Weiteres arbeitsunfähig sei, und stellte eine
schriftliche Stellungnahme bis zum 31. Dezember 2021 in Aussicht. In der
Folge erging zunächst am 22. März 2021 die von der Vorinstanz für nichtig
erklärte Kündigung und am 12. Mai 2021 bzw. mit Neubeurteilungsentscheid
vom 25. August 2021 die streitgegenständliche Kündigung.
6.2 Der
Beschwerdeführer wurde seit Beginn der Anstellung wiederholt ermahnt, sich in
seiner Ausdrucksweise zu mässigen und unkollegiales Verhalten zu unterlassen.
Weder die Ermahnung im Juli 2019 noch die im Dezember 2019 angesetzte
Bewährungsfrist bewirkten eine nachhaltige Änderung. Die Bezeichnung eines
Arbeitskollegen als "Lutscher" bzw. die Unterstellung, die
Arbeitskollegen seien alkoholabhängig und konsumierten Drogen sowie das
"Angebot" an den Arbeitskollegen, die Angelegenheit nach der Arbeit
zu klären, sind als mangelhaftes Verhalten zu qualifizieren, das die
Beschwerdegegnerin angesichts der Vorgeschichte zur Kündigung berechtigte.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, überzeugt
nicht. Soweit er behauptet, von C provoziert worden zu sein, vermöchte dies die
nachfolgende Beleidung nicht zu rechtfertigen, denn der Beschwerdeführer hätte C
auch mit normalen Worten bitten können, einen anderen Weg zu nehmen. Es kann
deshalb offenbleiben, ob C wirklich unnötig nahe am Beschwerdeführer
vorbeiging, wie dieser behauptet. Die Argumentation des Beschwerdeführers,
Lutscher sei auch die Bezeichnung für ein Bonbon am Stil bzw. einen Schnuller,
verfängt sodann nicht, denn hier ist aufgrund der Umstände offenkundig, dass
das Wort im beleidigenden Sinn verwendet wurde.
Soweit der Beschwerdeführer die Aussage gegenüber C, man
könnte die Angelegenheit nach der Arbeit regeln, nicht als Drohung verstanden
haben will, ist ihm ebenfalls nicht zu folgen. Unabhängig von der Wortwahl (der
Beschwerdeführer will von "Ausdiskutieren" gesprochen haben) hat der
Hinweis, man könne einen Konflikt ausserhalb des geschützten Rahmens des
Arbeitsplatzes regeln oder ausdiskutieren, vor dem Hintergrund des
vorangegangenen Verhaltens des Beschwerdeführers drohenden Charakter.
Sodann war das Fehlverhalten des Beschwerdeführers am
17. September 2020 mit Blick auf die zuvor ergangene Verwarnung entgegen
dem Beschwerdeführer einschlägig. Auch dass die Bewährungsfrist zuvor
erfolgreich abgeschlossen worden war, stand einer Kündigung nicht entgegen,
zumal Art. 21 Abs. 6 VV PST die direkte Kündigung ausdrücklich
erlaubt, wenn Angestellte innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der
Bewährungsfrist erneut aus denselben oder vergleichbaren Gründen Anlass zur
Beanstandungen geben; diese Regelung entspricht der verwaltungsgerichtlichen
Praxis zum kantonalen Personalrecht (VGr, 28. Januar 2022, VB.2021.00179,
E. 4.2 Abs. 3).
Schliesslich ergibt sich aus der Abmahnung vom
11. Dezember 2019 mit hinreichender Klarheit, inwiefern der
Beschwerdeführer sein Verhalten zu verbessern habe, und sind die ihm
vorgeworfenen Verhaltensweisen auch hinreichend in den Akten dokumentiert. Auch
die diesbezüglichen Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet.
7.
Nach dem Gesagten ist in teilweiser Gutheissung der
Beschwerde festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis des Beschwerdeführers
bis zum 31. Dezember 2021 dauerte. Im Übrigen ist die Beschwerde
abzuweisen.
8.
8.1 Weil der
Streitwert mehr als Fr. 30'000.- beträgt (vorne E. 2), ist das Verfahren
kostenpflichtig (§ 65a Abs. 3 VRG). Ausgangsgemäss sind die Kosten zu
zwei Drittel dem Beschwerdeführer und zu einem Drittel der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2
Satz 1 VRG).
8.2 Da der
Beschwerdeführer nicht überwiegend obsiegt, steht ihm keine Parteientschädigung
zu (§ 17 Abs. 2 VRG). Der in ihrem amtlichen Wirkungskreis tätig
gewordenen Beschwerdegegnerin ist praxisgemäss ebenfalls keine
Parteientschädigung zuzusprechen (VGr, 22. Juni 2023, VB.2022.00754,
E. 7 Abs. 2 mit Hinweisen).
9.
Der Streitwert beträgt mehr als Fr. 15'000.-, weshalb
als Rechtsmittel auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005
(BGG, SR 173.110) zu verweisen ist (Art. 85 Abs. 1 lit. b
BGG).
Demgemäss erkennt die
Kammer:
1. In
teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird festgestellt, dass das
Anstellungsverhältnis des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 2021
dauerte.
Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2. Die
Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 6'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 120.-- Zustellkosten,
Fr. 6'120.-- Total der Kosten.
3. Die
Gerichtskosten werden zu zwei Drittel dem Beschwerdeführer und zu einem Drittel
der Beschwerdegegnerin auferlegt.
4. Parteientschädigungen
werden nicht zugesprochen.
5. Gegen
dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach
Art. 82 ff. BGG erhoben werden. Sie ist innert 30 Tagen ab
Zustellung einzureichen beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14.
6. Mitteilung an:
a) die Parteien;
b) den Bezirksrat Winterthur.