Verwaltungsgericht
des
Kantons Zürich
4. Abteilung
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VB.2023.00553
Urteil
der 4. Kammer
vom 21. Dezember 2023
Mitwirkend: Verwaltungsrichter Reto Häggi Furrer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Tamara Nüssle, Verwaltungsrichter
Martin Bertschi, Gerichtsschreiber
Elias Ritzi.
In Sachen
A, vertreten durch RA B,
Beschwerdeführerin,
gegen
Zweckverband C,
Beschwerdegegner,
betreffend Kündigung
(Nichteintreten),
hat sich ergeben:
I.
A war ab dem 1. Januar 2019 für den Zweckverband C
tätig, zuletzt als Heimleiterin.
Mit Schreiben vom 27. Dezember
2022 kündigte der Verbandsvorstand den Arbeitsvertrag per Ende Juni 2022 [recte
2023] unter dem Hinweis, dass innert 30 Tagen eine Begründung der Kündigung
verlangt werden könne. Nachdem A eine Begründung verlangt hatte, wurde ihr am
1. März 2023 ein mit 20. Februar 2023 datiertes Schreiben übergeben, in
dem drei Hauptgründe für die Kündigung angeführt wurden. Weder das Schreiben
vom 27. Dezember 2022 noch dasjenige vom 20. Februar 2023 enthielten
einen Hinweis auf das gegen die Kündigung offenstehende Rechtsmittel.
II.
A rekurrierte am 5. April 2023 beim Bezirksrat D
und beantragte eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen sowie die Auszahlung
allfälliger offener Ferienguthaben. Mit Beschluss vom 16. August 2023 trat
der Bezirksrat D auf den Rekurs nicht ein, weil dieser zu spät erhoben
worden sei.
III.
A erhob hiergegen am 21. September 2023 Beschwerde
beim Verwaltungsgericht und beantragte, unter Entschädigungsfolge sei der
Rekursentscheid aufzuheben und der Bezirksrat D anzuweisen, auf den Rekurs
einzutreten und einen materiellen Entscheid zu fällen. Der Bezirksrat D
verzichtete am 26. September 2023 auf eine Stellungnahme; der Zweckverband C
reichte keine Beschwerdeantwort ein. Mit Präsidialverfügung vom
15. November 2023 wurde der Zweckverband C aufgefordert, dem
Verwaltungsgericht das nicht bei den Akten liegende Kündigungsschreiben vom
27. Dezember 2022 einzureichen; dem kam der Zweckverband am
21. November 2023 nach.
Die Kammer erwägt:
1.
Das Verwaltungsgericht ist
für Beschwerden gegen Rekursentscheide eines Bezirksrats betreffend die
Auflösung eines Anstellungsverhältnisses bei einem Zweckverband nach
§§ 41 ff. des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959
(VRG, LS 175.2) zuständig.
Nimmt eine Vorinstanz einen Rekurs nicht an
die Hand, ist die formell unterlegene rekurrierende Partei legitimiert, sich
auf dem Rechtsmittelweg gegen den Nichteintretensentscheid zu wehren (§ 49
in Verbindung mit § 21 Abs. 1 VRG; VGr, 13. September 2023,
VB.2023.00377, E. 1 – 30. August 2023, VB.2023.00346,
E. 1.2 – 29. Juni 2023, VB02023.00339, E. 1.2).
Weil auch die weiteren Prozessvoraussetzungen erfüllt
sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Die Beschwerdeführerin verlangte im Rekursverfahren eine
Entschädigung von sechs Monatslöhnen sowie die Auszahlung allfälliger
Ferienguthaben. Bereits der Entschädigungsantrag hat einen Streitwert von rund
Fr. 70'000.-, weshalb die Angelegenheit in die Zuständigkeit der Kammer fällt
(§ 38 Abs. 1 und § 38b Abs. 1 lit. c e contrario VRG).
3.
3.1 Nach
§ 22 Abs. 1 Satz 1 VRG ist der Rekurs innert 30 Tagen bei der
Rekursinstanz schriftlich einzureichen. Diese Frist beginnt gemäss § 11
Abs. 1 Satz 1 VRG am Tag nach Eröffnung der Ausgangsverfügung.
Wird eine Kündigungsverfügung unbegründet eröffnet,
beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der begründeten
Kündigungsverfügung zu laufen (§ 10a lit. b VRG).
Gemäss unbestritten gebliebener Darstellung wurde die
Kündigungsbegründung der Beschwerdeführerin am 1. März 2023 übergeben. Die
Rechtsmittelfrist hätte demnach am (Freitag, dem) 31. März 2023 geendet.
Der erst am (Mittwoch, dem) 5. April 2023 erhobene Rekurs erwiese sich
damit als verspätet. Das anerkennt auch die Beschwerdeführerin; sie macht aber
geltend, weil die Ausgangsverfügung keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe,
liege keine verspätete Rekurserhebung vor.
3.2 Nach
§ 10 Abs. 1 VRG sind schriftliche Anordnungen zu begründen und mit
einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Die Rechtsmittelbelehrung ist
formelles Gültigkeitserfordernis einer Anordnung; fehlt sie, beginnt die
Rechtsmittelfrist nicht zu laufen und kann eine Anordnung grundsätzlich nicht
in Rechtskraft erwachsen. Allerdings können Adressaten einer ohne
Rechtsmittelbelehrung eröffneten Anordnung nach Treu und Glauben nicht beliebig
lange mit der Anfechtung zuwarten; vielmehr sind sie gehalten, die Anordnung
innert nützlicher Frist anzufechten bzw. sich zumindest nach dem Rechtsmittel
zu erkundigen. Wie lange nach Treu und Glauben mit dem Tätigwerden zugewartet
werden kann, ist von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig, wobei
bei rechtskundigen oder rechtskundig vertretenen Personen ein strengerer
Massstab angesetzt wird als bei Laien (zum Ganzen VGr, 5. März 2014,
VB.2014.00003, E. 2.3; Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar
zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. A., Zürich
etc. 2014, § 10 N. 52).
Vorliegend enthielten weder
das Kündigungsschreiben vom 27. Dezember 2022 noch das
Begründungsschreiben vom 20. Februar 2023 eine Rechtsmittelbelehrung oder
überhaupt einen Hinweis auf die Anfechtbarkeit. Einzig die Möglichkeit, innert
30 Tagen eine Begründung zu verlangen, wird im Schreiben vom 27. Dezember
2022 erwähnt, dies allerdings wiederum, ohne darauf hinzuweisen, dass das
Anfechtungsrecht verwirkt, wenn nicht innert Frist eine Begründung verlangt
wird. Dieses Schreiben vermittelt im Übrigen den Eindruck, der Beschwerdegegner
habe damit ein Gestaltungsrecht ausgeübt und nicht über ein
öffentlich-rechtliches Anstellungsverhältnis verfügt. Beim Begründungsschreiben
vom 20. Februar 2023 handelt es sich sodann nicht um eine begründete
Kündigung, sondern nur um eine Aufzählung von Kündigungsgründen.
Dementsprechend ist für Laien kaum erkennbar, dass mit diesem Schreiben der
Rechtsmittelweg gegen die Kündigung eröffnet wird. Schliesslich ist in diesem
Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass dieses Schreiben der
Beschwerdeführerin übergeben und damit in eher informellem Rahmen statt auf dem
üblichen Weg mittels eingeschriebener Sendung eröffnet wurde.
Angesichts dieser Umstände konnte die Beschwerdeführerin
die Anfechtbarkeit des Schreibens vom 20. Februar 2023 nicht ohne Weiteres
erkennen. Entgegen der Vorinstanz ist die Beschwerdeführerin sodann nicht
allein deswegen als prozesserfahren anzusehen, weil sie in einem
personalrechtlichen Rekursverfahren namens des Beschwerdegegners Kündigung und
Rekursantwort unterzeichnete. Auch aus ihrer Stellung als Heimleiterin lässt
sich nicht schliessen, dass sie trotz fehlender Rechtsmittelbelehrung hätte
erkennen müssen, dass mit Übergabe der Kündigungsbegründung eine
Rechtsmittelfrist von 30 Tagen zu laufen begann.
Angesichts der schweren formellen Mängel, die sowohl dem
Kündigungsschreiben als auch dem Begründungsschreiben anhaften, wurde die
Beschwerdeführerin mit ihrer Rekurserhebung fünf Tage bzw. drei Arbeitstage
nach Ablauf der Rekursfrist noch innert nützlicher Frist tätig. Die Vorinstanz
ist demnach zu Unrecht auf den Rekurs nicht eingetreten.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und der
Beschluss der Vorinstanz vom 16. August 2023 aufzuheben. Die Angelegenheit
ist zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
5.
Weil der Streitwert mehr als Fr. 30'000.- beträgt (vorne
2), sind Gerichtskosten aufzuerlegen (§ 65a Abs. 3 e contrario
VRG). Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen
(§ 65a Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Satz 1
VRG).
Der Beschwerdegegner ist sodann zu verpflichten, der
obsiegenden Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen
(§ 17 Abs. 2 VRG).
6.
Zur Rechtsmittelbelehrung des nachfolgenden Dispositivs
ist Folgendes zu erläutern:
Beim vorliegenden Rückweisungsentscheid handelt es sich um
einen Zwischenentscheid im Sinn von Art. 93 Abs. 1 des
Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110), der sich
vor Bundesgericht nur anfechten lässt, wenn er einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil bewirken kann (lit. a) oder eine Gutheissung sofort einen
Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder
Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen könnte (lit. b).
Demgemäss erkennt die
Kammer:
1. Die
Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Bezirksrats D vom 16.
August 2023 wird aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an
den Bezirksrat D zurückgewiesen.
2. Die
Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 2'000.--; die übrigen Kosten betragen:
Fr. 95.-- Zustellkosten,
Fr. 2'095.-- Total der Kosten.
3. Die
Gerichtskosten werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
4. Der
Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung von Fr. 2'000.- zu bezahlen.
5. Gegen
dieses Urteil kann im Sinn der Erwägungen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG erhoben werden. Sie ist innert 30 Tagen
ab Zustellung einzureichen beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14.
6. Mitteilung an:
a) die Parteien;
b) den Bezirksrat D.