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Geschäftsnummer: VK.2022.00002  
Entscheidart und -datum: Endentscheid vom 13.07.2023
Spruchkörper: 4. Abteilung/4. Kammer
Weiterzug: Dieser Entscheid ist rechtskräftig.
Rechtsgebiet: Übriges Verwaltungsrecht
Betreff:

Beträge für Musikschule gemäss Anschlussvertrag


[Die im Quartier Fahrweid wohnenden schulpflichtigen Kinder aus den Gemeinden Weiningen und Geroldswil werden seit dem Jahr 1965 im Schulhaus Fahrweid unterrichtet, das zur Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil gehört. Die Zuteilung der Schülerinnen und Schüler sowie die Kostenaufteilung wird aktuell in einer Vereinbarung aus dem Jahr 2016 geregelt. Im Februar 2020 verlangte die Gemeinde Weiningen eine Korrektur der Schulgeldabrechnungen, da der darin errechnete Kostenanteil der Gemeinde Weiningen an der Musikschule nicht verursachergerecht sei. Seit Herbst 2020 kürzt sie die Rechnungen um den nach ihrem Dafürhalten zu viel berechneten Betrag in Anwendung eines sogenannten Fairnessgrundsatzes im Anschlussvertrag.] Der Inhalt der strittigen Klauseln im Anschlussvertrag der Parteien ist nach der objektiven Vertragsauslegung zu ermitteln. Nach dem insofern klaren Wortlaut des Anschlussvertrags richtet sich die Kostenbeteiligung der Beklagten für die Musikschule nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Weiningen an der Gesamtschülerzahl aller Schuleinheiten der Klägerin. Das Gericht kann nicht in Anwendung des Fairnessgrundsatzes einen davon abweichenden Verteilschlüssel für die Musikschule festlegen. Die betreffende Klausel lässt sich nur so verstehen, dass die Parteien ihre jeweiligen Gemeindevorstände berechtigen, einvernehmlich eine Anpassung der Kostenbeteiligungsregeln vorzunehmen, sollten sie der Auffassung sein, dass diese nicht mehr dem Grundsatz einer verursachergerechten Kostenbeteiligung entsprechen (zum Ganzen E. 3.1–3.3). Gutheissung der Klage, soweit darauf eingetreten wird.
 
Stichworte:
ANSCHLUSSVERTRAG
FAIRNESSGRUNDSATZ
KLAGE
KOSTENAUFTEILUNG
MUSIKSCHULE
OBJEKTIVE VERTRAGSAUSLEGUNG
VERRECHNUNG
VERTRAGSAUSLEGUNG
VERURSACHERPRINZIP
VERWALTUNGSRECHTLICHER VERTRAG
VERZUGSZINS
Rechtsnormen:
- keine -
Publikationen:
- keine -
Gewichtung:
(1 von hoher / 5 von geringer Bedeutung)
Gewichtung: 2
 
 

Verwaltungsgericht

des Kantons Zürich

4. Abteilung

 

VK.2022.00002

 

 

 

Urteil

 

 

 

der 4. Kammer

 

 

 

vom 13. Juli 2023

 

 

 

Mitwirkend: Verwaltungsrichter Reto Häggi Furrer (Vorsitz), Verwaltungsrichterin Tamara Nüssle, Verwaltungsrichter Martin Bertschi, Gerichtsschreiberin Sonja Güntert.  

 

 

 

In Sachen

 

 

Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil,

vertreten durch RA A,

Klägerin,

 

 

gegen

 

 

Gemeinde Weiningen,

vertreten durch die Primarschulpflege Weiningen,

 

diese vertreten durch RA B,

Beklagte,

 

 

betreffend Kostenbeteiligung an der Musikschule gemäss Anschlussvertrag,

hat sich ergeben:

I.  

Das Quartier Fahrweid liegt sowohl auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Weiningen als auch auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Geroldswil (sowie zu einem kleinen Teil auf dem Gebiet der politischen Gemeinde Unterengstringen). Die im Quartier wohnenden schulpflichtigen Kinder aus beiden Gemeinden werden seit dem Jahr 1965 im Schulhaus Fahrweid unterrichtet, das auf dem Gebiet der Gemeinde Geroldswil steht und zur Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil gehört.

Die Zuteilung der Schülerinnen und Schüler sowie die Kostenaufteilung wurde in regelmässig erneuerten Vereinbarungen geregelt, zuletzt mit der Vereinbarung zur Zuteilung der Schülerinnen und Schüler der Fahrweid-Weiningen vom 13. Juli 2016 zwischen der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil und der Gemeinde Weiningen. Diese Vereinbarung bestimmt im Wesentlichen, dass die Gemeinde Weiningen ein kostendeckendes Schulgeld entrichtet, dessen Höhe sich je nach Kostenstelle nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Fahrweid-Weiningen an der Gesamtschülerzahl der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil bzw. an der Gesamtschülerzahl im Schulhaus Fahrweid bestimmt (§ 3 der Vereinbarung).

Mit Schreiben vom 25. Februar 2020 wandte die Primarschulpflege Weiningen sich namens der Gemeinde Weiningen an die Primarschulpflege Oetwil-Geroldswil und verlangte eine Korrektur der Schulgeldabrechnungen seit dem Jahr 2015, da der darin auf der Grundlage von § 3 der Vereinbarung errechnete Anteil der Gemeinde Weiningen an der Musikschule nicht verursachergerecht sei. Der Anteil von Schülerinnen und Schüler aus Weiningen, welche die Musikschule besuchten, sei seit Jahren sehr tief; derzeit seien es nur fünf Schülerinnen und Schüler, womit die Kosten pro unterrichtetem Kind Fr. 9'796.- pro Jahr betrügen. Die Kostenaufteilung sei deshalb gestützt auf einen in § 4 der Vereinbarung festgelegten "Fairnessgrundsatz" anzupassen. Die Primarschulpflege Oetwil-Geroldswil widersprach dieser Auffassung mit Schreiben vom 22. Juni 2020 und hielt an der Berechnung auf Grundlage von § 3 der Vereinbarung fest. Mit Schreiben vom 29. September 2020 erklärte die Primarschulpflege Weiningen, sie sei der Auffassung, in den vergangenen zehn Jahren insgesamt einen um Fr. 328'063.23 zu hohen Kostenbeitrag bezahlt zu haben. Sie stellte in Aussicht, diesen Betrag zur Verrechnung zu bringen und Rechnungen der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil auch künftig entsprechend zu kürzen, was sie in der Folge auch tat.

II.  

Die Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil erhob am 25. März 2022 Klage beim Verwaltungsgericht und beantragte, unter Entschädigungsfolge sei die Gemeinde Weiningen zu verpflichten, ihr Fr. 406'342.20 zuzüglich 5 % Verzugszins (für Fr. 310'970.73 ab dem 30. Oktober 2020, für Fr. 86'493.37 ab dem 11. Dezember 2021 und für Fr. 8'878.10 ab Klageeinreichung) zu bezahlen sowie "sich auch in Zukunft an die Zahlung des geschuldeten Schulgeldes gemäss dem Verteilschlüssel […] zu halten (so lange dieser Gültigkeit hat)".

Am 12. April 2022 teilte die bisherige Rechtsvertretung der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil dem Verwaltungsgericht mit, sie lege das Mandat nieder; am 21. April 2022 zeigte der neue Rechtsvertreter sein Mandat dem Verwaltungsgericht an.

Die Gemeinde Weiningen beantragte mit Klageantwort vom 14. Juni 2022, unter Entschädigungsfolge sei die Klage aus dem Recht zu weisen und der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil Frist zur Einreichung einer neuen Klage anzusetzen; in der Sache sei die Klage vollumfänglich abzuweisen, eventualiter nur im Betrag von Fr. 169'852.32 zuzüglich Verzugszins gutzuheissen. Zudem ersuchte sie um Durchführung einer Instruktionsverhandlung, an der auch Vergleichsgespräche zu führen seien.

Mit Verfügung vom 20. Juni 2022 wies der Vorsitzende den mit einem Interessenkonflikt eines Rechtsanwalts der ursprünglichen Rechtsvertretung begründeten Antrag, die Klage aus dem Recht zu weisen, ab.

Mit Replik der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil vom 27. Oktober 2022 und Duplik der Gemeinde Weiningen vom 11. November 2022 wurde an den jeweiligen Anträgen festgehalten. Die Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil reichte am 1. Dezember 2022 unaufgefordert weitere Unterlagen ein.

Eine vom Verwaltungsgericht am 22. März 2023 durchgeführte Vergleichsverhandlung endete ohne Ergebnis.

Die Kammer erwägt:

1.  

Das Verwaltungsgericht ist nach § 81 lit. b des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 (VRG, LS 175.2) grundsätzlich zuständig für die Beurteilung von Streitigkeiten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen zwischen zwei Gemeinden.

Soweit die Klägerin jedoch sinngemäss beantragt, die Beklagte sei zu verpflichten, sich auch künftig an den Vertrag (im Sinn der Auslegung der Klägerin) zu halten, ist dieses Begehren aufsichtsrechtlicher Natur. Schon weil dem Verwaltungsgericht gegenüber Gemeinden keine Aufsichtsfunktion zukommt, ist insofern auf die Klage nicht einzutreten (vgl. zur Aufsichtsbeschwerde Martin Bertschi, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 3. A., Zürich etc. 2014 [Kommentar VRG], Vorbemerkungen zu §§ 19–28a N. 61 ff.).

Da die weiteren Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Klage im Übrigen einzutreten.

2.  

Die Klägerin stützt ihre Forderung im Wesentlichen auf die nach Massgabe der Kostenbeteiligungsregeln gemäss § 3 der Vereinbarung erstellten Schulgeldabrechnungen, welche die Beklagte seit dem Jahr 2019 nicht mehr vollständig bezahlt habe. Dass die Klägerin den von der Beklagten gestützt auf § 3 der Vereinbarung geschuldeten Kostenanteil korrekt errechnet hat, ist zwischen den Parteien unbestritten. Die Beklagte macht jedoch geltend, bei der Musikschule widerspreche die Anwendung der Kostenbeteiligungsregeln dem in § 4 der Vereinbarung festgelegten Fairnessgrundsatz. Dieser Grundsatz vermittle einen vertraglichen Anspruch auf Anpassung der Schulgeldabrechnungen. Die Beklagte habe in diesem Sinn die seit dem Jahr 2010 ihres Erachtens zu hohen Beiträge an die Musikschule zur Verrechnung gebracht bzw. die Schulgeldabrechnungen der Klägerin entsprechend gekürzt. Dabei habe sie auf der Grundlage der Kostenempfehlungen des Verbands Zürcher Musikschulen pro Schülerin bzw. Schüler für das jeweilige Semester mit Kosten von Fr. 1'534.70 gerechnet, was für den Zeitraum ab dem 2. Semester des Schuljahrs 2010/2011 bis zum 1. Semester des Schuljahrs 2021/2022 einen Betrag von Fr. 297'731.80 statt des in Rechnung gestellten Betrags von Fr. 668'016.96 ergebe.

3.  

3.1 Was die Parteien miteinander in einem verwaltungsrechtlichen Vertrag vereinbart haben, bestimmt sich in Ermangelung entsprechender öffentlich-rechtlicher Regeln unter analoger Anwendung des allgemeinen Teils des Obligationenrechts (OR, SR 220; vgl. etwa BGr, 3. Juni 2016, 2C_658/2015, E. 3.1, auch zum Folgenden; Bernhard Waldmann, Der verwaltungsrechtliche Vertrag – Eine Einführung, in: Isabelle Häner/Bernhard Waldmann [Hrsg.], Der verwaltungsrechtliche Vertrag in der Praxis, Zürich etc. 2007, S. 1 ff., 10 ff.). Demnach ist in erster Linie auf den übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien abzustellen (Art. 18 Abs. 1 OR, sogenannte subjektive Vertragsauslegung; BGE 144 V 84 E. 6.2.1, 138 III 659 E. 4.2.1). Die subjektive Vertragsauslegung bezieht sich auf den Willen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Nachträgliches Parteiverhalten kann berücksichtigt werden, wenn es Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der Parteien zulässt (BGE 132 III 626 E. 3.1, 129 III 675 E. 2.3). Wenn der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (sogenannte objektive Vertragsauslegung). Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind. Demnach ist der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste, massgebend. Bei der Auslegung öffentlich-rechtlicher Verträge ist zudem in Zweifelsfällen zu vermuten, dass die Verwaltung nicht bereit ist, etwas anzuordnen oder zu vereinbaren, was mit den von ihr zu wahrenden öffentlichen Interessen und der einschlägigen Gesetzgebung im Widerspruch steht (BGE 148 V 70 E. 5.1.1, 144 V 84 E. 6.2.1, 122 II 328 E. 4e; zum Ganzen auch VGr, 24. Juli 2019, VK.2018.00004, E. 3.2).

3.2 Weder die Klägerin noch die Beklagte reichten im vorliegenden Verfahren Belege ein, aus welchen sich der Wille der Vertragsparteien im Unterzeichnungszeitpunkt hinsichtlich der strittigen Bestimmungen zweifelsfrei ergibt. Der Inhalt der strittigen Klauseln ist deshalb nach der objektiven Vertragsauslegung zu ermitteln.

3.3  

3.3.1 Gemäss § 3 lit. f der Vereinbarung richtet sich der Anteil der Gemeinde Weiningen an den Kosten für den Schulbetrieb (§ 3 lit. a) und die Verwaltung (§ 3 lit. b) nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Weiningen an der Gesamtschülerzahl aller Schuleinheiten der Primarschulgemeinde Oetwil-Geroldswil. Zu den Kosten für den Schulbetrieb zählen gemäss § 3 lit. a folgende Positionen: Leistungen für Pensionierte, Primarschule, Mittagstisch und Nachschulische Betreuung, Musikschule, Schulliegenschaften, Volksschule Sonstiges, Sonderschulung (ohne Kosten für externe Sonderschulung), Gesundheitsdienst, Sozialversicherung Allgemeines.

Der Wortlaut dieser Regelung ist eindeutig: Die Kostenbeteiligung der Beklagten richtet sich für sämtliche der in lit. a aufgeführten Kostenpositionen, und damit auch für die Musikschule, nach dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Weiningen an der Gesamtschülerzahl aller Schuleinheiten der Klägerin.

Weder der Hinweis der Beklagten auf verschiedene Stellen im Vertrag, wo von einer verursachergerechten Kostenaufteilung die Rede ist, noch die Erwähnung des Verursacherprinzips als Grundsatz der Haushaltsführung in § 84 des Gemeindegesetzes vom 20. April 2015 (LS 131.1) sind geeignet, um der Kostenaufteilung nach § 3 der Vereinbarung eine andere Bedeutung als nach dem klaren Wortlaut zu geben.

3.3.2 Zu prüfen bleibt damit, ob der in § 4 der Vereinbarung enthaltene Fairnessgrundsatz zu einer Anpassung der Berechnungsregel für die Musikschule führen muss. Dieser Fairnessgrundsatz hat folgenden Wortlaut:

 "Die Parteien streben die vollständige Tragung der jeweiligen Kosten an, die ihre Schülerinnen und Schüler verursachen. Es gilt der Grundsatz der grösstmöglichen Fairness und Ausgeglichenheit. Sollte die Anwendung einer der vorgängigen Bestimmungen dazu führen, dass das Resultat diesen Fairnessgrundsatz verletzt oder sonst wie nicht sachgerecht ist, sind die rechtsanwendenden Behörden berechtigt und verpflichtet, die fragliche Bestimmung so anzuwenden und nötigenfalls im Einzelfall davon abzuweichen, dass das Resultat dem Fairnessgrundsatz wieder entspricht."

Diese Bestimmung richtet sich an die rechtsanwendenden Behörden. Die Beklagte hält dafür, dass dies auch rechtsprechende Behörden miteinschliesse, da andernfalls nur von den Vertragsparteien die Rede wäre. Damit übersieht sie jedoch, dass die jeweiligen Gemeinwesen und nicht die Gemeindevorstände Vertragsparteien sind. Der Klausel kommt deshalb auch dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn der Begriff der rechtsanwendenden Behörde so ausgelegt wird, dass darunter nur die Gemeindevorstände der beteiligten Gemeinwesen fallen. Soweit eine Vertragsanpassung nach dem Organisationsrecht des jeweiligen Gemeinwesens grundsätzlich der Zustimmung der Gemeindeversammlung bedarf, läge demnach eine Kompetenzdelegation vor. Nach diesem Verständnis diente die Klausel mithin in erster Linie dazu, dass die Gemeindevorstände innerhalb der Grundregel, wonach jede Gemeinde die Kosten tragen soll, welche durch Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in dieser Gemeinde verursacht wurden, die Berechnungsmodalitäten nach § 3 der Vereinbarung anpassen dürfen, ohne dass diese Anpassung der jeweiligen Gemeindeversammlung vorgelegt werden muss. Demgegenüber richtet sich die Klausel weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck an Rechtsmittelbehörden.

Der Fairnessgrundsatz legt weder eindeutig fest, unter welchen Umständen die Berechnungsmodalitäten nach § 3 nicht mehr zur Anwendung kommen sollen, noch stellt er eine klare Ersatzregel für diesen Fall auf. Vielmehr wird auf einen "Grundsatz der grösstmöglichen Fairness und Ausgeglichenheit" verwiesen, was nur insofern konkretisiert wird, als zugleich festgehalten ist, dass die Parteien eine vollständige Tragung der Kosten anstreben, "die ihre Schülerinnen und Schüler verursachen". Damit belässt diese Klausel einen grossen Interpretationsspielraum, der in erster Linie durch die Parteien zu konkretisieren ist. Denn ob eine Regelung in einem Vertrag als "fair" eingestuft wird, hängt letztlich vom Standpunkt der Vertragsparteien ab. So lässt sich bei einer isolierten Betrachtung der Kosten für die Musikschule mit der Beklagten argumentieren, es sei nicht fair, dass sie zwischen 20 und 25 Prozent der Nettokosten der Musikschule tragen muss, obwohl nur wenige Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Weiningen die Musikschule besuchen. Umgekehrt lässt sich mit der Klägerin bei einer Gesamtbetrachtung ebenso gut argumentieren, angesichts des geringen Anteils der Nettokosten der Musikschule an den Nettokosten des gesamten Schulbetriebs von weniger als 3 Prozent liege die höhere Beteiligung der Beklagten innerhalb der Unschärfe, die eine pauschalisierte Berechnung immer mit sich bringt. Folgte man der Auffassung der Beklagten, dass ihre Kostenbeteiligung dem Fairnessgrundsatz widerspricht, blieben sodann zahlreiche denkbare Lösungen, um dem Fairnessgrundsatz Rechnung zu tragen; neben dem von der Beklagten vorgeschlagenen Ansatz mit einer Pauschale pro Semesterlektion – deren Höhe auch anders bestimmt werden könnte – liesse sich etwa auch die Kostenbeteiligung an der Musikschule nach einem eigenen Kostenteiler berechnen.

Angesichts dieses grossen Interpretationsspielraums fehlt es im Ergebnis an einem feststellbaren übereinstimmenden Willen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anwendung des Fairnessgrundsatzes als auch hinsichtlich der sich daraus ergebenden Anpassungsregel. Die Bestimmung lässt sich deshalb nur so verstehen, dass die Parteien ihre jeweiligen Gemeindevorstände berechtigen, einvernehmlich eine Anpassung der Kostenbeteiligungsregeln vorzunehmen, sollten sie der Auffassung sein, dass diese nicht mehr dem Grundsatz einer verursachergerechten Kostenbeteiligung entsprechen. Soweit die rechtsanwendenden Behörden nach dem Wortlaut auch zu einer Anpassung verpflichtet werden, kann dem nur schon deshalb keine eigenständige Bedeutung zukommen, weil dies einen Konsens darüber verlangte, dass die Voraussetzungen für eine Anpassung gegeben sind. Kommt kein Konsens über eine Vertragsanpassung zustande, bleibt deshalb derjenigen Partei, die die Berechnungsregeln nach § 3 nicht mehr anwenden will, nur die Kündigung der Vereinbarung.

3.3.3 Damit kann offenbleiben, ob die Beklagte die bis zum 25. Februar 2020 vorbehaltlos geleisteten Zahlungen überhaupt noch zurückfordern bzw. zur Verrechnung bringen kann.

3.4 Da bis anhin unstrittig kein Konsens über eine Vertragsanpassung zustande kam und der Vertrag im hier interessierenden Zeitraum auch nicht gekündigt war, kommt die Berechnungsregel nach § 3 der Vereinbarung zur Anwendung. Die Beklagte hat den Rechnungsbetrag demnach zu Unrecht um Fr. 406'342.20 reduziert und ist zur Nachzahlung zu verpflichten.

3.5 Auf den geschuldeten Beträgen sind Verzugszinsen von 5 % ab dem Datum der Mahnung geschuldet. Praxisgemäss beginnt der Zinslauf am Tag nach Empfang der Mahnung bzw. am Tag nach Empfang der Klage und damit am 30. Oktober 2020 für den Betrag von Fr. 310'970.73, am 12. Dezember 2021 für den Betrag von Fr. 86'493.37 und am 1. April 2022 für den Betrag von Fr. 8'878.10 (vgl. VGr, 30. März 2023, VB.2022.00519, E. 6.2; Tobias Jaag, Kommentar VRG, § 29a N. 7).

4.  

Nach § 86 in Verbindung mit § 65a Abs. 2 und § 13 Abs. 2 Satz 1 VRG sind die Gerichtskosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Dabei ist das aufsichtsrechtliche Begehren der Klägerin weder mit Blick auf den Streitwert noch mit Blick auf den Verfahrensausgang von Bedeutung. Die Gerichtskosten sind deshalb vollständig der Beklagten aufzuerlegen. Diese ist zudem zu verpflichten, der Klägerin eine Parteientschädigung von Fr. 10'000.- (inklusive Mehrwertsteuer) zu bezahlen (§ 17 Abs. 2 VRG).

Demgemäss erkennt die Kammer:

1.    Die Klage wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird.

       Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den Betrag von Fr. 406'342.20 zu bezahlen, zuzüglich 5 % Verzugszins für den Betrag von Fr. 310'970.73 ab dem 30. Oktober 2020, für den Betrag von Fr. 86'493.37 ab dem 12. Dezember 2021 und für den Betrag von Fr. 8'878.10 ab dem 1. April 2022.

2.    Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf
Fr. 16'000.--;   die übrigen Kosten betragen:
Fr.    120.--     Zustellkosten,
Fr. 16'120.--    Total der Kosten.

3.    Die Gerichtskosten werden der Beklagten auferlegt.

4.    Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Parteientschädigung von Fr. 10'000.- zu bezahlen.

5.    Gegen dieses Urteil kann Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. des Bundesgerichtsgesetzes erhoben werden. Sie ist innert 30 Tagen ab Zustellung einzureichen beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14.

6.    Mitteilung an die Parteien.