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Solothurn Obergericht Beschwerdekammer 06.02.2024 BKBES.2024.5 – Entscheidsuche

Solothurn Obergericht Beschwerdekammer 06.02.2024 BKBES.2024.5

Solothurn Obergericht Beschwerdekammer 06.02.2024

Nachentscheid bezüglich Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme

Obergericht

Beschwerdekammer

 

 

 

Beschluss vom 6. Februar 2024 betreffend Nachentscheid des Amtsgerichts Bucheggberg-Wasseramt vom 30. Oktober 2023 zum Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 4. November 2015

Es wirken mit:

Präsident Frey

Oberrichterin Hunkeler

Oberrichterin Kofmel

Gerichtsschreiberin Ramseier

In Sachen

A.___, vertreten durch Advokat Stefan Suter,

 

Beschwerdeführer

 

 

gegen

 

 

Amt für Justizvollzug,

 

Beschwerdegegnerin

 

betreffend     Nachentscheid bezüglich Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme


zieht die Beschwerdekammer des Obergerichts in Erwägung:

I.

 

1. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 4. November 2015 wurde A.___ wegen mehrfachen versuchten Mordes, Gefährdung des Lebens und strafbarer Vorbereitungshandlungen zu Mord schuldig gesprochen. Vom Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt war er zudem bereits wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens, mehrfacher versuchter Nötigung, Hinderung einer Amtshandlung, mehrfacher grober und mehrfacher einfacher Verletzung von Verkehrsregeln, mehrfacher Vergehen gegen das Waffengesetz sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes rechtskräftig schuldig gesprochen worden. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren und gemäss rechtskräftiger Ziffern 3 lit. b und c des Urteils des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 8. September 2014 zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je CHF 10.00, unter Gewährung des bedingten Vollzugs mit einer Probezeit von 2 Jahren, sowie einer Busse von CHF 300.00, ersatzweise zu 3 Tagen Freiheitsstrafe, verurteilt. An die ausgesprochene Freiheitsstrafe wurden 388 Tage Untersuchungshaft angerechnet. Es wurde eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet und der Vollzug der Freiheitsstrafe aufgeschoben.

 

Mit Entscheid des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 18. Februar 2020 wurde die stationäre Massnahme mit Wirkung ab 4. November 2020 um 3 Jahre verlängert.

 

Am 4. Juli 2023 beantragte das Amt für Justizvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug, die Verlängerung der stationären Massnahme um drei Jahre. Sollte bis zum Erreichen der Höchstdauer am 3. November 2023 kein richterlicher Nachentscheid vorliegen, sei beim Haftgericht um Anordnung von Sicherheitshaft zu ersuchen.

 

Mit Nachentscheid vom 30. Oktober 2023 zum Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 4. November 2015 verlängerte das Amtsgericht von Bucheggberg-Wasseramt die stationäre therapeutische Massnahme mit Wirkung ab 4. November 2023 um drei Jahre (Ziff. 1). Über A.___ wurde für die Dauer von drei Monaten bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Entscheids Sicherheitshaft im Sinne der Fortsetzung der stationären Massnahme angeordnet (Ziff. 2). Am 3. November 2023 liess A.___ gegen den Entscheid betreffend Anordnung von Sicherheitshaft Beschwerde erheben mit dem Antrag auf dessen Aufhebung. Mit Beschluss vom 22. November 2023 trat die Beschwerdekammer auf die Beschwerde nicht ein. 

 

Am 21. Dezember 2020 wurde dem Vertreter von A.___, Advokat Stefan Suter, das begründete Urteil zugestellt.

 

2. Am 22. Dezember 2023 (Posteingang: 3. Januar 2024) liess A.___ dagegen Beschwerde erheben mit dem Antrag auf deren Aufhebung. Die Vorinstanzen seien anzuweisen, die Massnahme zu beenden. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 

3. Am 4. Januar 2024 teilte der Präsident der Beschwerdekammer den Parteien u.a. mit, über das weitere Vorgehen, insbesondere ob eine Verhandlung durchgeführt oder aufgrund der Akten entschieden werden solle, werde nach Eingang der Akten und der Stellungnahme des Amtes für Justizvollzug entschieden. Die Parteien könnten sich auch zu dieser Frage äussern.

 

4. Das Amt für Justizvollzug (nachfolgend: AJUV) beantragte am 16. Januar 2024 die Abweisung der Beschwerde. Einem schriftlichen Verfahren widersetze sich das Amt nicht, es stehe jedoch selbstverständlich auch für eine mündliche Verhandlung zur Verfügung.

 

5. Der Beschwerdeführer liess am 18. Januar 2024 mitteilen, es werde eine mündliche Verhandlung beantragt für den Fall, dass Herr Dr. med. B.___ vorgeladen werde. Sei dies nicht der Fall, werde ein schriftliches Verfahren beantragt.

 

6. Mit Verfügung vom 19. Januar 2024 wurde den Parteien mitgeteilt, es werde aufgrund der Akten in einem schriftlichen Verfahren entschieden. Die Vorakten und somit auch das Gutachten von Dr. med. B.___ seien beigezogen worden. Auf eine Befragung von Dr. B.___ an einer mündlichen Verhandlung werde daher verzichtet. Gleichzeitig wurde die über A.___ angeordnete Sicherheitshaft bis zum (zeitnahen) Entscheid über die Beschwerde verlängert.

 

7. Am 25. Januar 2024 ging die Stellungnahme des Vertreters von A.___ zu derjenigen des AJUV vom 16. Januar 2024 ein.

 

8. Für die Standpunkte der Parteien wird auf die Akten verwiesen. Soweit erforderlich, wird nachfolgend darauf eingegangen.

 

II.

 

1. Per 1. Januar 2024 sind geänderte Bestimmungen der Strafprozessordnung in Kraft getreten. Dabei sieht Art. 365 Abs. 3 StPO neu vor, dass gegen einen selbstständigen nachträglichen Entscheid Berufung erhoben werden kann. Der Nachentscheid ist vorliegend am 30. Oktober 2023 und damit noch unter bisherigem Recht ergangen. Gemäss Art. 448 StPO werden Verfahren, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch hängig sind, nach neuem Recht fortgeführt, soweit die nachfolgenden Bestimmungen nichts anderes vorsehen. Art. 453 StPO sieht für das Rechtsmittelverfahren etwas anderes vor, nämlich, dass Rechtsmittel gegen einen Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt werden. Dabei würde es zu eng greifen, den Begriff «bei Inkrafttreten dieses Gesetzes» so auszulegen, dass nur das damalige Inkrafttreten der neuen StPO im Jahr 2011 gemeint ist. Dies hat vorliegend zur Folge, dass gegen den Nachentscheid des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt noch die Beschwerde das korrekte Rechtsmittel ist und damit die Beschwerdekammer des Obergerichts für das Rechtsmittelverfahren zuständig ist.

 

2.1 Die Vorinstanz äussert sich im angefochtenen Entscheid zunächst zur Anordnung und dem Verlauf der Massnahme. Zum besseren Verständnis des vorliegenden Beschlusses wird dies im Folgenden wiedergegeben resp. darauf Bezug genommen (teilweise verkürzt, teilweise ergänzend).

 

Vorhalt 1, Schuldspruch wegen versuchten Mordes: Der Beschwerdeführer hatte am Abend des [...] 2012 einen Brief verfasst, aus dem Suizidgedanken hervorgingen, dem aber auch deutliche Absichten, Drittpersonen (C.___ und / oder D.___) mit in den Tod zu reissen, entnommen werden konnten. Am Vormittag des [...] 2012 verabredete er sich mit seiner ehemaligen Freundin C.___ vor deren Arbeitsort in [...] und traf um ca. 13:00 Uhr dort ein. Nach einem kurzen Gespräch, aus dem hervorging, dass diese nicht zu ihm zurückkehren werde, gab er aus einer mitgeführten Pistole insgesamt sieben Schüsse in Richtung des zum Eingang des Firmengebäudes wegrennenden Opfers ab. C.___ wurde dabei von einem Schuss getroffen und fiel im Bereich vor der automatischen Eingangstür zu Boden. Sie erlitt eine Durchschussverletzung des Bauchraums mit Verletzung der Bauspeicheldrüse, einer Niere und von zwei Lendenwirbelkörpern. Gewisse hieraus resultierende Beeinträchtigungen blieben für das Opfer bestehen (chronischer Rückenschmerz mit eingeschränkter Belastbarkeit). Nach dem gerichtlichen Beweisergebnis hatte der Beschwerdeführer den Tötungsvorsatz bereits auf der Hinfahrt nach [...] gefasst und liess sich lediglich eine kleine Hintertür offen, die Tat für den unwahrscheinlichen Fall einer Wiederaufnahme einer Beziehung nicht umzusetzen.

 

Vorhalt 2, Schuldspruch wegen Gefährdung des Lebens: Im Rahmen des vorerwähnten Geschehens realisierte E.___, ein Arbeitskollege von C.___, der zuvor mit dem Fahrrad zum Firmengebäude gekommen war und sich im Innenraum des Eingangsbereichs befand, dass Schüsse fielen. Er begab sich hierauf zur Eingangstür und zog das auf dem Boden liegende Opfer ins Firmengebäude hinein. Am Hemd von E.___ kam es zu einer Schussbeschädigung. Dem gerichtlichen Beweisergebnis zufolge war diesbezüglich zugunsten des Beschwerdeführers von einem Querschläger im Innern des Eingangsbereichs auszugehen, weshalb auf Gefährdung des Lebens zu erkennen war.

 

Vorhalt 3, Schuldspruch wegen versuchten Mordes: Nach der vorerwähnten Schussabgabe fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Auto davon. Am Vortag hatte er sich mit D.___ für den [...] 2012 auf 14:00 Uhr in [...] verabredet; aus einem an jenem Tag stattgefundenen SMS-Verkehr hatte sich ergeben, dass D.___ endgültig keine Beziehung mit ihm führen wollte. Auf dem Weg Richtung [...] wurde er von der Polizei letztlich in [...] angehalten. Zuvor hatte er seine Waffe nachgeladen bzw. allenfalls ein volles Magazin eingesetzt sowie die Waffe durchgeladen und entsichert. Nach dem gerichtlichen Beweisergebnis bestand ein unbedingter Tötungswille, die Schwelle zum Versuch war überschritten.

 

Vorhalt 4, Schuldspruch wegen strafbarer Vorbereitungshandlungen zu Mord: Im [...] 2009 hatte der Beschwerdeführer Interesse an einer Beziehung mit F.___, welche ihrerseits aber keine Beziehung mit ihm wollte. Er drohte ihr, sie und sich selbst zu erschiessen. Am [...] 2009 fuhr er mit einem geladenen Sturmgewehr zu deren Domizil in [...]. Er klingelte an der Tür und ging dann wieder weg, da niemand öffnete. Noch am gleichen Abend begab er sich zur Psychiatrischen Klinik, Solothurn, und bat um ein Krisengespräch, bei dem er sich, wie hiervor angeführt, äusserte. Auch in der nachfolgenden ambulanten Behandlung (drei Sitzungen) äusserte er sich in dieser Weise. Die damaligen genauen Absichten und Pläne des Beschwerdeführers liessen sich dem gerichtlichen Beweisergebnis zufolge nicht klären. Daher war von einem bedingten Tötungswillen zum Zeitpunkt des Tatgeschehens auszugehen; das Erreichen des Versuchsstadiums konnte nicht als erstellt angesehen werden, strafbare Vorbereitungshandlungen zu Mord waren aber zu bejahen.

 

Die verbleibenden Schuldsprüche wegen Gefährdung des Lebens bezogen sich auf die nach dem Geschehen gemäss den Vorhalten 1 und 2 stattgefundene Fluchtfahrt, als der Beschwerdeführer von einer Polizeipatrouille entdeckt worden war (Überholmanöver bei Gegenverkehr).

 

Hinsichtlich weiterer Informationen zu den Geschehensabläufen, zur Vorgeschichte der Handlungen, zur emotionalen bzw. psychischen Lage des Beschwerdeführers und zu den rechtlichen Einschätzungen wird im Übrigen auch hier auf die Akten verwiesen (vgl. erstinstanzliches Verfahren BWSAG.2013.18, zweitinstanzliches Verfahren STBER.2014.76).

 

Im Rahmen der Strafzumessung (Schuldfähigkeit) und der Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 StGB stützte sich das Obergericht in seinem Urteil im Wesentlichen auf die Ausführungen und Schlussfolgerungen von Dr. med. G.___, so auf das psychiatrische Gutachten vom 26. Oktober 2012, das Ergänzungsgutachten vom 4. Juni 2013, die Ergänzung vom 27. Juni 2013, die Angaben anlässlich der gerichtlichen Verhandlungen sowie die Stellungnahme vom 13. September 2015 zu einem seitens des Beschwerdeführers eingereichten Privatgutachtens von Dr. med. H.___ vom 27. Juni 2015. Die Gutachterin hatte sich in ihren Gutachten eingehend mit der Vorgeschichte des Beschwerdeführers, den Tatvorwürfen, der weiteren Entwicklung und den erhobenen Befunden auseinandergesetzt. Sie stellte die Diagnosen einer depressiven Episode (major depression) mittelschweren bis schweren Ausmasses (ICD-10: F33.1 bzw. F33.2) sowie von Persönlichkeitsakzentuierungen mit emotional-instabilen Anteilen vom Borderline-Typus (mit Störungswertigkeit im Tatzeitpunkt); im ursprünglichen Gutachten wurde zudem ein Cannabismissbrauch angenommen (ICD-10: F12.1). Die Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt der Taten wurde von ihr als leichtgradig eingeschränkt bewertet (bei Vorhalt 1 ausgehend von der dem gerichtlichen Beweisergebnis entsprechenden Tatvariante). Weiter ging sie aufgrund der emotional-instabilen Persönlichkeitsstruktur, die sich im Rahmen der mittelschweren bis schweren depressiven Episode vor dem Hintergrund einer dysfunktionalen Beziehungsdynamik massiv verstärkte und somit deutliche Deliktrelevanz entwickelte, von einem deutlichen strukturellen Rückfallrisiko für weitere Gewalthandlungen im bisherigen Spektrum aus (innerhalb von Beziehungen). Sie empfahl eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB (in einer Strafvollzugsanstalt mit entsprechender Abteilung). Die Diagnosestellungen und Einschätzungen wurden von ihr in den Befragungen anlässlich der Gerichtsverhandlungen erläutert und bestätigt.

 

Bezüglich Einzelheiten zu den verschiedenen Stationen des Vollzugs wird auch an dieser Stelle auf die Vollzugsakten verwiesen (vgl. Vollzugsakten MV.2016.31, Ordner 1 bis 7). Zusammengefasst war der Beschwerdeführer zu Beginn, nach der polizeilichen Festnahme am [...] 2012, instabil und verübte mehrere Suizidversuche. Nach einer gewissen Stabilisierung konnte er ab dem 10. Juli 2013 den vorzeitigen Massnahmenvollzug antreten, ab dem 18. Dezember 2013 im Therapiezentrum [...]. Mangels Einsicht und Motivation arbeitete er vor der rechtskräftigen Verurteilung nur schlecht mit und entsprechend konnten kaum Fortschritte erzielt werden. So wurde der vorzeitige Massnahmenvollzug beendet und vorübergehend der vorzeitige Strafvollzug angeordnet. Nach der Rechtskraft der Urteile und dem Übertritt des Beschwerdeführers in die [...] (JVA) [...] per 17. Mai 2017 verbesserte sich der Massnahmenverlauf erheblich. Es konnte dem Beschwerdeführer nachfolgend ein guter Vollzugsverlauf attestiert werden und es konnten diverse Fortschritte erreicht werden.

 

2.2 Betreffend Prüfung einer Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme wurde ein forensisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. med. B.___ eingeholt, welches vom 19. August 2019 datiert (vgl. Vollzugsakten Ordner 4, Register 4). Der Gutachter stellte die Diagnose einer Bipolar-II-Störung (ICD-10: F31.80) sowie in Übereinstimmung mit der Vorgutachterin einer Persönlichkeitsakzentuierung mit emotional-instabilen Anteilen vom Borderline-Typus (ICD-10: Z73.1), aktuell unter den gegebenen Voraussetzungen nur leicht ausgeprägt (Gutachten S. 87). Der Gutachter ging in der integrativen Gesamtbeurteilung hinsichtlich der Rückfallgefahr für Gewaltdelikte gegenüber infrage kommenden Partnerinnen bei Annahme des Sachverhalts eines Tötungswillens auch bei der Anlasstat 2009 von einer insgesamt eher ungünstigen Prognose aus, sollte der Beschwerdeführer nicht krankheitsentsprechend weiter betreut und behandelt und in keinen adäquaten Empfangsraum entlassen werden. Bei fehlender Weiterbehandlung sei von einer moderaten Rückfallwahrscheinlichkeit für Körperverletzungsdelikte innerhalb von fünf Jahren und einer deutlich höheren allgemeinen Basisrate für die anderen Deliktarten auszugehen (Gutachten S. 99). Nach Ansicht des Gutachters hat die Behandlung in dem Zeitpunkt nicht als abgeschlossen betrachtet werden können. Die genannten psychotherapeutischen und –edukativen Elemente sollten verfestigt werden; je nach Platzierungsmöglichkeiten bzw. Anschlusslösungen (z.B. zunächst Arbeitsexternat vor offenem Massnahmenvollzug) ging der Gutachter von einem weiteren Therapiebedarf (unter der Prämisse stetiger Progression und günstigen Verlaufs) von insgesamt drei Jahren aus (Gutachten S. 109). Der Gutachter gab in der gerichtlichen Befragung an, dass der zeitliche Rahmen von drei Jahren eine grobe Schätzung sei.

 

Das Amtsgericht von Bucheggberg-Wasseramt kam im Nachentscheid vom 18. Februar 2020 zum Schluss, dem Beschwerdeführer könne noch keine günstige Prognose gestellt werden und verlängerte die stationäre Massnahme um drei Jahre.

 

2.3. Im Dezember 2021 konnte der Beschwerdeführer in den offenen Vollzug ins Massnahmenzentrum [...] übertreten. Per 14. Oktober 2022 konnte er ein Praktikum bei der Garage [...] in [...] als Automonteur EFZ beginnen. Da das Praktikum gut verlief, erhielt er eine Festanstellung und konnte per 1. April 2023 ins Arbeitsexternat (AEX) übertreten. Er befindet sich nach wie vor in dieser Stufe. Zusätzlich begann er eine Weiterbildung als technischer Kaufmann.

 

2.4 Am 4. Juli 2023 beantragte das Amt für Justizvollzug beim Richteramt Bucheggberg-Wasseramt die Verlängerung der stationären Massnahme um drei Jahre. Zuvor hatte es bei Dr. med. I.___, Fachärztin für Psychiatrie, forensische Sachverständige, ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses datiert vom 17. April 2023. Am 4. Mai 2023 erfolgte eine ergänzende Stellungnahme (auf dieses Gutachten wird nachfolgend näher eingegangen).

 

Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt verlängerte die stationäre Massnahme wie erwähnt mit Nachentscheid vom 30. Oktober 2023. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gäbe es keine konkreten Anzeichen dafür, dass sich das AJUV bei der Auswahl der sachverständigen Person von unsachlichen Kriterien hätte leiten lassen. Auf das Gutachten sowie auf dessen Ergänzung könne daher abgestellt werden. Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der stationären Massnahme seien in Übereinstimmung mit den involvierten Fachstellen nicht als erfüllt zu betrachten. Es könne noch keine günstige Prognose gestellt werden. Mit dem Beschwerdeführer habe erst seit dem Jahr 2018 konstruktiv therapeutisch gearbeitet werden können. Seither habe er sich zwar positiv entwickelt, er zeige einen guten Vollzugsverlauf und weise wesentliche Fortschritte auf, insbesondere habe er einen Notfallplan in Zusammenhang mit seiner Bipolar-II-Störung erarbeiten und eine gute Medikamtencompliance entwickeln können. In anderen, teils deliktrelevanten Bereichen, sei hingegen eine gewisse Zurückhaltung und Abwehrhaltung festzustellen, namentlich bezüglich Waffenaffinität und Borderline-Persönlichkeitsdisposition. Ebenso habe eine ungenügende Auseinandersetzung mit den Beziehungsdelikten und den Gründen hierfür stattgefunden. Bei ungünstigen Rahmenbedingungen bestehe langfristig eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Delikte, die mit einer schweren Beeinträchtigung der physischen und psychischen Integrität von Dritten einhergehe. Eine weitere therapeutische Bearbeitung der beim Beschwerdeführer fortbestehenden deliktrelevanten Problematiken erweise sich damit zur Verbesserung der Legalprognose als notwendig.

 

Eine Massnahmenverlängerung sei auch verhältnismässig. Zunächst seien die genannten, wichtigen Themenbereiche noch im Rahmen der stationären Massnahme therapeutisch zu bearbeiten. Sodann seien die vorgesehenen Vollzugslockerungen bzw. konkret das geplante Wohn- und Arbeitsexternat (WAEX) schrittweise aufzugleisen und zu begleiten. Hinsichtlich Dauer der Massnahmenverlängerung gehe die Sachverständige von ungefähr drei Jahren aus. Dies scheine angemessen.

 

3. Dagegen liess der Beschwerdeführer vorbringen, Dr. B.___ sei seinerzeit zum Schluss gelangt, eine Verlängerung der Massnahme um drei Jahre genüge vollends. Ganz offensichtlich sei das AJUV nicht begeistert gewesen und habe, um dennoch das gewünschte Ziel einer weiteren Verlängerung zu erreichen, bewusst eine andere Gutachterin berufen. Diese habe denn auch das bestätigt, was man habe hören wollen. Das Gutachten von Dr. B.___ müsste entweder inhaltlich völlig falsch gewesen sein oder es müsste eine vorhergesehene Verschlimmerung oder Änderung der Ausgangslage stattgefunden haben. Dies werde nicht geltend gemacht. In jedem Fall hätte man aber Herr B.___ befragen müssen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die im Jahr 2020 vom Gericht erwähnte Eheproblematik infolge rechtskräftiger Scheidung nicht mehr bestehe. Der Verlauf der Massnahme sei ausgesprochen gut. Es treffe auch nicht zu, dass Dr. B.___ hinsichtlich des Delikts aus dem Jahre 2009 von einer anderen Ausgangslage ausgegangen wäre, je nachdem, ob diesbezüglich von einem Tötungswillen auszugehen sei oder nicht. Auf Seite 105 des Gutachtens sei erwähnt, dass selbst bei Annahme eines Tötungswillens bei der Anlasstat 2009 nur von einer moderaten Rückfallwahrscheinlichkeit gesprochen werden könne. Die Nichtanhörung von Dr. B.___ durch die Vorinstanz verletze das rechtliche Gehör und das Fairnessgebot. Ferner verletze die Vorgehensweise die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach von Gutachten nicht ohne Not abgewichen werden dürfe. Der Entscheid sei aufzuheben und es sei die therapeutische Massnahme unter Anwendung des Gutachtens von Dr. B.___ zu beenden. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung unter Einbezug des Sachverständigen Dr. B.___ zurückzuweisen.

 

4. Dazu führte das AJUV im Wesentlichen aus, Dr. B.___ habe seinerzeit anlässlich der Verhandlung ausgesagt, es handle sich bei der empfohlenen Verlängerung um drei Jahre um eine grobe Einschätzung. Die Empfehlungen von ihm seien von der Vollzugsbehörde gewürdigt worden, indem dem Beschwerdeführer stetig weitere Vollzugsöffnungen gewährt worden seien. Es sei nicht korrekt, dass das AJUV eine neue Gutachterin bestimmt habe, um ein «Parteigutachten» zu erhalten. Vom Gutachten von Dr. B.___ sei nicht abgewichen worden. Es sei jedoch mit der Zeit deutlich geworden, dass die Massnahme bis am 3. November 2023 nicht als abgeschlossen habe betrachtet werden können, weshalb ein neues Verlaufsgutachten in Auftrag gegeben worden sei. Da am Gutachten von Dr. I.___ keine Mängel hätten erkannt werden können, habe keine Notwendigkeit bestanden, Dr. B.___ für die Hauptverhandlung vorzuladen. Die betroffene Person habe keinen Anspruch auf einen Gutachter ihrer Wahl. Das Gutachten sei nach den geltenden wissenschaftlichen Standards erstellt worden und es sei unbestritten, dass es sich bei Dr. I.___ um eine ausgewiesene Fachperson handle. Ein positiver Massnahmenverlauf beim Beschwerdeführer werde nicht bestritten, es bestehe aber weiterhin ein Massnahmenbedarf (Thematiken der Waffenaffinität und der Borderline-Störung, Verbesserung des Frustrationserlebens).

 

5. In der Eingabe vom 24. Januar 2024 liess der Beschwerdeführer daran festhalten, dass Dr. B.___ eine dreijährige Verlängerung empfohlen habe und die Vorinstanzen nicht bereit gewesen seien, Dr. B.___ zu diesem Punkt zu befragen. Das AJUV habe den Gutachter ausgewechselt, um eine Verlängerung der Massnahme zu erzielen. Von einer Waffenaffinität könne keine Rede sein und das behauptete Frustrationserleben enthalte keinen konkreten Bezug. Der fehlende Tötungswille sei für die Schlussempfehlung von Dr. B.___ nicht relevant gewesen.

 

6. Der Beschwerdeführer rügt insbesondere, das AJUV habe unter Verletzung des Fairnessgebotes resp. von Treu und Glauben Dr. med. I.___ mit der Begutachtung beauftragt, statt des Vorgutachters Dr. med. B.___.

 

6.1 Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei Dr. med. I.___ um eine ausgewiesene Fachperson handelt, die über eine langjährige Erfahrung in der Begutachtung verfügt. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, spez. forensische Psychiatrie und Psychotherapie, arbeitet hauptsächlich als Gutachterin und hat bisher offenbar bereits 400 bis 500 Gutachten im Bereich der Erwachsenenforensik erstellt (vgl. Ausführungen anlässlich der Verhandlung vor Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt). Sie hat sich in ihrem Gutachten zur Notwendigkeit und den Erfolgsaussichten einer Behandlung, zu Art und Wahrscheinlichkeit weiterer möglicher Straftaten und zu den Möglichkeiten des Vollzugs der Massnahme geäussert. Damit erfüllt das Gutachten die Anforderungen an ein solches (vgl. dazu BGE 146 V I E. 3.1).

 

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das AJUV in Verletzung des Fairnessgebotes eine Auswechslung des Gutachters vorgenommen hätte, um einen Verlängerungsantrag stellen zu können. Dem AJUV war das Ergebnis der Begutachtung zum Zeitpunkt der Auftragserteilung nicht bekannt und es konnte ihm auch nicht bekannt sein. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass es bei Dr. I.___ eine Begutachtung in Auftrag gab, statt Dr. B.___ um ein Ergänzungsgutachten zu ersuchen; zumal eine betroffene Person ohnehin keinen Anspruch auf einen Gutachter ihrer Wahl hat. Ferner ist es nicht unüblich, im Verlauf einer Massnahme die Begutachtung durch eine andere sachverständige Person vornehmen zu lassen, sei dies aus Zeitgründen oder um eine Beurteilung durch eine andere Fachperson zu erhalten, die nochmals exploriert und sich von Neuem mit der zu begutachtenden Person auseinandersetzt. Dies hat auch Dr. I.___ anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz bestätigt. Es entstünden keine Schwierigkeiten, wenn bei der Verlängerung einer Massnahme ein anderer Gutachter eingesetzt werde als bei der Anordnung, im Gegenteil (Einvernahme vom 30. Oktober 2023 Rz 308 ff.).

 

Es trifft nicht zu, dass das AJUV das Gutachten von Dr. B.___ nicht als korrekt oder inhaltlich falsch beurteilt hätte, ist es doch seinen Empfehlungen nachgekommen und hat diese umgesetzt. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers war es lediglich der Meinung, die Massnahme könne bis zum 3. November 2023 noch nicht als abgeschlossen gelten, weshalb es im Hinblick auf eine allenfalls zu beantragende Verlängerung ein neues Gutachten in Auftrag gab. Dass es dieses bei Dr. I.___ einholte ist – wie erwähnt – nicht zu beanstanden, war das Ergebnis der Begutachtung doch völlig offen.

 

Nicht zu beanstanden ist schliesslich auch, dass die Vorinstanz Dr. B.___ nicht zur Hauptverhandlung vorgeladen hat. Darin ist keine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erblicken. Das Gutachten von Dr. I.___ ist nach den geltenden wissenschaftlichen Standards erstellt worden und erfüllt sämtliche Anforderungen an ein solches. Dr. I.___ hat sich mit dem Gutachten von Dr. B.___ auseinandergesetzt und hat auch an der Hauptverhandlung nochmals zu dessen Einschätzungen Stellung genommen. Auf das Gutachten und dessen Ergänzung vom 4. Mai 2023 durfte daher abgestellt werden. Es bestehen keinerlei Hinweise auf eine Befangenheit oder mangelnde Kompetenz, weshalb auch kein Anlass bestand, Dr. B.___ ebenfalls zur Hauptverhandlung vorzuladen.

 

6.2 Der Beschwerdeführer macht wie erwähnt weiter geltend, Dr. B.___ sei seinerzeit zum Schluss gelangt, eine Verlängerung der Massnahme um drei Jahre genüge vollends. Es treffe auch nicht zu, dass Dr. B.___ hinsichtlich des Delikts aus dem Jahre 2009 von einer anderen Ausgangslage ausgegangen wäre, je nachdem, ob diesbezüglich von einem Tötungswillen auszugehen sei oder nicht. Auf Seite 105 des Gutachtens sei erwähnt, dass selbst bei Annahme eines Tötungswillens bei der Anlasstat 2009 nur von einer moderaten Rückfallwahrscheinlichkeit gesprochen werden könne.

 

Dazu ist festzuhalten, dass Dr. B.___ auf S. 99 des Gutachtens ausführte, für den Fall, dass man bezüglich des Delikts im Jahr 2009 vollständig vom rechtskräftig festgestellten Sachverhalt (Erscheinen mit Sturmgewehr und Tötungswillen vor der Haustür von [...]) ausgehe – und das hat man zu tun –, müsse von einer Deliktserie und somit von einer eher ungünstigen Rückfallwahrscheinlichkeit hinsichtlich Gewalt- bzw. Tötungsdelikten von Partnerinnen bzw. enger im Kontakt stehenden möglichen Partnerinnen gesprochen werden. Im Weiteren hat er anlässlich der Verhandlung vor Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt vom 18. Februar 2020 erwähnt, der zeitliche Rahmen von drei Jahren sei eine grobe Einschätzung. Schliesslich hat Dr. I.___ überzeugend und einleuchtend begründet, weshalb ihrer Einschätzung nach noch eine Verlängerung der Massnahme nötig ist, nämlich, weil gewisse Problembereiche noch nicht ausreichend haben bearbeitet werden können (vgl. die nachfolgenden Erwägungen).

 

7. Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre (Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB). Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen (Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB). Der Täter wird gemäss Art. 62 Abs. 1 StGB aus dem stationären Vollzug der Massnahme bedingt entlassen, sobald sein Zustand es rechtfertigt, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, sich in der Freiheit zu bewähren. Voraussetzung für die bedingte Entlassung ist eine günstige Prognose. Die Prognose ist günstig, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene keine weiteren Straftaten begehen wird, die mit der behandelten Störung in Zusammenhang stehen. Andererseits erfordert die Verlängerung, dass der fortbestehenden Gefahr durch die Massnahme begegnet werden kann, mithin dass der Täter überhaupt behandlungsfähig ist. Gemeint ist damit eine therapeutische dynamische Einflussnahme, die zu einer Verbesserung der Legalprognose führt. Eine Verlängerung kann deshalb nur in Betracht gezogen werden, wenn sich davon eine therapeutische Wirkung in diesem Sinne erwarten lässt (Urteil des Bundesgerichts 6B_1190/2021 vom 28. März 2022 E. 2.2.2 mit Hinweisen).

 

Die stationäre therapeutische Massnahme muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV; Art. 56 Abs. 2 StGB). Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die Massnahme geeignet ist, beim Betroffenen die Legalprognose zu verbessern. Weiter muss die Massnahme notwendig sein. Sie hat zu unterbleiben, wenn eine gleich geeignete, aber mildere Massnahme für den angestrebten Erfolg ausreichen würde. Dieses Kriterium trägt dem Aspekt des Verhältnisses zwischen Strafe und Massnahme bzw. der Subsidiarität von Massnahmen Rechnung. Schliesslich muss zwischen dem Eingriff und dem angestrebten Zweck eine vernünftige Relation bestehen (Verhältnismässigkeit i.e.S.). Das bedeutet, dass die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen. Bei einer Prüfung des Zweck-Mittel-Verhältnisses fallen im Rahmen der Gesamtwürdigung auf der einen Seite insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen in Betracht. Auf der anderen Seite sind das Behandlungsbedürfnis sowie die Schwere und die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten relevant. Die Dauer der (stationären) Massnahme hängt von deren Auswirkungen auf die Gefahr weiterer Straftaten ab, wobei die Freiheit dem Betroffenen nur so lange entzogen werden darf, als die von ihm ausgehende Gefahr dies zu rechtfertigen vermag. Die Massnahme dauert aber grundsätzlich so lange an, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich eine Zweckerreichung als aussichtslos erweist (Urteil 6B_1190/2021 vom 28. März 2022 E. 2.2.3 mit Hinweisen). 

 

8.1 Dr. I.___ kommt in ihrem Gutachten zum Schluss, der Beschwerdeführer habe zum Tatzeitpunkt an einer Bipolar-II-Störung (ICD-10: F31.8) gelitten. Es liege das Bild einer gereizten hypomanen Episode vor. Beim Beschwerdeführer liege zudem eine Persönlichkeitsdisposition vor, die als Akzentuierung einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD 10: F60.31) zu fassen sei. Aktuell sei der Beschwerdeführer in den strukturierenden Rahmenbedingungen des offenen Massnahmenvollzugs und unter einer Valproat-Medikation von 2x1000 mg/d psychopathologisch unauffällig. Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung seien seit Beginn der stationären Massnahme nicht mehr beschrieben worden. Zum Zeitpunkt der Anlasstaten habe das Vollbild einer Borderline-Persönlichkeitsstörung vorgelegen. Dies beinhalte u.a. eine erhöhte Impulsivität. Als deliktrelevant sei des Weiteren die Waffenaffinität des Beschwerdeführers zu nennen. Die Kombination aus einer Bipolar-II-Störung mit einer Persönlichkeitsdisposition, die in spezifischen Risikosituationen vermittelt durch eine hypomane Auslenkung ins Vollbild einer Borderline-Persönlichkeitsstörung regredieren könne, sei eine Besonderheit. Verglichen mit einer Gesamtgruppe der Personen mit einer psychischen Störung sowie verglichen mit der entsprechenden Diagnosekategorie falle der Beschwerdeführer insofern aus dem Rahmen, als aktuell ein weitgehend unauffälliger psychischer Befund vorliege, dessen Stabilität aber aufgrund der Vorgeschichte erst noch umfassend in Belastungssituationen erprobt werden müsse.  

 

Die Rückfallwahrscheinlichkeit könne durch die Behandlung in hohem Mass reduziert werden. Die Behandlung bestehe aus einer stimmungsstabilisierenden und antiimpulsiven Medikation mit Valproat in Kombination mit einer langwährenden monitorisierenden Einzelpsychotherapie. Das Setting im Massnahmenzentrum [...] sei dafür geeignet. Sie, die Gutachterin, stimme in ihrer Einschätzung betreffend Behandlungsbedarf und Vollzugsverlauf mit der behördlichen Vollzugsplanung und dem Vollzugsplan überein. Der im Vollzugsplan vom 12. April 2022 beschriebene Veränderungs- und Kontrollbedarf habe sich bewährt und bedürfe aktuell keiner Anpassung. Ein Übertritt ins WAEX in der Jahresmitte 2023 wäre aus gutachterlicher Sicht in Anbetracht der noch durchzuführenden Belastungserprobung und der noch vor Übertritt ins WAEX zu bearbeitenden Therapieinhalte deutlich zu früh. Aus heutiger Sicht wäre ein Übertritt ins WAEX bei gutem Verlauf im Frühling 2024 anzustreben. Hinsichtlich der deliktrelevanten Risikofaktoren, die die Bipolar-II-Störung mit sich bringe, bestehe beim Beschwerdeführer ein intrinsisches und tiefgreifendes Risikobewusstsein, hinsichtlich der deliktrelevanten Risikofaktoren, die die Borderline-Persönlichkeitsdisposition mit sich bringe, bestehe noch kein entsprechendes Risikobewusstsein. Strategien bezüglich Risikomanagement sollten mit ihm noch erarbeitet werden. Gleiches gelte für den gesamten deliktrelevanten Komplex der Waffenaffinität.

 

In Bezug auf das Rückfallrisiko für erneute Anklagen und Verurteilungen wegen eines Gewaltdelikts hält die Gutachterin fest, dieses liege bei der Risikogruppe 4, der der Beschwerdeführer nach dem VRAG zuzuordnen sei, innerhalb von 7 Jahren bei 17 % und innerhalb von 10 Jahren bei 31 %. Risikofaktoren für zukünftige strafbare Handlungen seien das Auftreten hypomaner Auslenkungen und / oder eine Regression der Persönlichkeit auf Borderline-Niveau. Auch ohne gleichzeitige hypomane Episode sei in konflikthaften Beziehungssituationen eine Regression auf Borderline-Niveau möglich und könne dann vor dem Hintergrund der zugleich bestehenden Waffenaffinität auch risikoträchtig hinsichtlich strafbarer Handlungen werden. Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen der stationären Massnahme bei gleichzeitiger hochdosierter Valproat-Medikation sei das Auftreten dieser Risikofaktoren gering. Langfristig in den nächsten 3 Jahren und darüber hinaus sei das Auftreten der individuellen bzw. klinischen Risikofaktoren abhängig von einer Fortführung der Valproat-Medikation (möglicherweise auch nur in einer Dosierung von zweimal 800 mg/d) sowie dem Erreichen stabiler Lebensbedingungen (Wohnort, Partnerschaft, Arbeit). Als situative / umweltbezogene Risikofaktoren seien bei dem gegenwärtigen Behandlungsstand die Aufnahme neuer erotischer Beziehungen, konflikthafte Partnerschaften, tatsächliche oder befürchtete Trennungssituationen oder Ablehnung durch Wunschpartnerinnen zu nennen, aber auch die Faktoren, die geeignet seien, die Bipolar-II-Störung zu triggern und die im Notfallplan des Beschwerdeführers bereits zusammengefasst worden seien. Auch erneuter Cannabiskonsum könnte einen Risikofaktor darstellen. Im Fall einer ungünstigen Entwicklung wäre mit Drohungen und Körperverletzungsdelikten im Rahmen von Partnerschaftskonflikten mit einer moderaten Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Mit gefährlichen Körperverletzungsdelikten bzw. Tötungsdelikten wäre mit einer niedrigen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, die, wie schon vom Vorgutachter eingeschätzt, bei 5 % liegen dürfte.

 

Schliesslich hält die Gutachterin in Bezug auf den weiteren Verlauf fest, die medikamentöse Behandlung habe innerhalb des gesamten Behandlungssettings einen zentralen Stellenwert. Falle sie weg, sei die Wahrscheinlichkeit für eine affektive Dekompensation, aber insbesondere auch für eine Regression auf Borderline-Niveau mit einer mittelgradigen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Für den weiteren Verlauf und insbesondere für die Vorbereitung des sozialen Empfangsraums erscheine ausserdem der Einbezug der Primärfamilie im Sinne einer umfassenden Psychoedukation sinnvoll. Die Erfolgsaussichten der skizzierten Interventionen beurteile sie als gut. Problematisch sei für den Beschwerdeführer sicherlich das Akzeptieren eines längeren Zeitraums im stationären Setting des Massnahmenzentrums [...]. Dies scheine aber unter klinischen und delikttherapeutischen Gesichtspunkten erforderlich. Hinsichtlich des Wohnexternats sei zu bedenken, dass die deliktrelevante Borderline-Symptomatik des Beschwerdeführers 2012 exazerbiert sei, nachdem er erstmals in seinem Leben allein gewohnt habe. Dem Beschwerdeführer sei die Problematik des Alleinwohnens in der Exploration nicht präsent gewesen. Vorgängig sollte eine AEX absolviert werden. Ausserdem sollten die bereits skizzierten deliktrelevanten Themen in der Einzeltherapie erschöpfend behandelt werden. Schliesslich sollte bis zum Beginn des WAEX ein höheres Mass an Transparenz im Hinblick auf die deliktrelevanten Sachverhalte erreicht werden. Realistisch erscheine aus heutiger Sicht der Übertritt ins WAEX im Frühjahr 2024. Zuvor könnten bei weiterhin gutem Verlauf im Sinne weitreichender Belastungserprobung weitere Lockerungsschritte realisiert werden.

 

Die stationäre Massnahme könne im November 2023 nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Eine Verlängerung der Massnahme sei notwendig, um die bereits umfassend skizzierten weiteren Therapiethemen noch im stationären Setting zu bearbeiten und um noch im stationären Setting einen Reduktionsversuch von Valproat durchzuführen und schliesslich um die psychische Stabilität und Belastbarkeit des Beschwerdeführers in weiteren Übungsfeldern, nicht zuletzt im Bereich partnerschaftlicher und erotischer Beziehungen, zu erproben.

 

8.2 Bezüglich der konkreten Dauer einer Verlängerung resp. einer Präzisierung nahm das AJUV nochmals Kontakt mit der Gutachterin auf. Dabei erwähnte sie telefonisch, aus ihrer Sicht müsse klar gesagt werden, dass der Beschwerdeführer in den vergangenen Jahren bereits ganz viel geschafft habe. Jedoch sei davon auszugehen, dass es in den kommenden Zeiten zu Krisen kommen werde. Sie schlage konkret vor, dass das AEX bis Frühjahr 2024 fortgeführt werde und bei weiterhin positivem Verlauf und Bearbeitung der im Gutachten dargelegten Punkte in der Therapie sodann ein Wechsel in eine Institution im Rahmen eines WAEX für rund eineinhalb Jahre stattfinde. Es sei wichtig, dass der Beschwerdeführer weiterhin gut monitorisiert werden könne, denn von ihm sei keine grosse Transparenz zu erwarten. Je länger man ein Auge auf ihn habe, desto besser sei das für ihn (insbesondere mit Blick auf eine mögliche Partnerschaft). Bei weiterhin gutem Verlauf könne sodann ein weiterer Wechsel in eine eigene Wohnung für ca. ein Jahr erfolgen, womit dann eine bedingte Entlassung im Herbst 2026 möglich wäre.

 

In der schriftlichen Präzisierung vom 4. Mai 2023 führte Dr. I.___ aus, das WAEX sollte in einer Institution beginnen, in der trotz der grösseren Freiräume noch die tägliche Einbindung in den betreuenden Kontakt zu professionellen Bezugspersonen gegeben sei. Nach etwa eineinhalb Jahren könnte sich dann eine betreute Phase in einer eigenen Wohnung anschliessen, sodass aus forensisch-psychiatrischer Sicht eine Massnahmenverlängerung um drei Jahre bis Sommer 2026 sinnvoll sei.

 

8.3 Anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz hat Dr. I.___ ihre Einschätzungen im Gutachten bestätigt. Es sei sinnvoll, dass der Beschwerdeführer weiterhin professionell begleitet werde in dieser jetzigen Situation. Er habe mit sehr viel Einsatz und sehr viel Engagement eine gute Arbeitsstelle gefunden. Dadurch sei er jetzt auch viel ausser Haus. Es sei aber dennoch so, dass es weiterhin Kontakt gebe mit den Mitarbeitenden in der Milieutherapie, wenn er zurückkomme. Dort werde beschrieben, dass trotz der sehr hohen Valproat-Medikation, die er habe, eine hohe Emotionalität und hohe Frustrationsbereitschaft vorhanden sei. Die er auch äussere, mitunter in einer heftigen Weise. Sie sei überrascht, dass er sich zusätzlich zu diesen Anforderungen jetzt noch eine Ausbildung auflade. Der Beschwerdeführer wolle das Valproat weiterhin in dieser Dosierung nehmen. Dies sei sicherlich in Ordnung, es bedeute aber auch, dass die Erprobungsphase, die begleitete Erprobungsphase, jetzt unter Bedingungen stattfinde, die es später so wahrscheinlich nicht geben werde. Sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer, wenn er ganz in Freiheit sei, das Valproat sicher reduzieren werde. Dadurch sei wieder eine erhöhte erotische und sexuelle Ansprechbarkeit gegeben, aber auch eine verstärkte emotionale Auslenkbarkeit auch im Hinblick auf Aggressivität und Impulsivität. Dann könne man dies nicht so engmaschig wie das jetzt der Fall sei bearbeiten. Und schliesslich sei da noch die Waffenaffinität. Es gebe also therapeutisch weiterhin Bearbeitungsbedarf. Der Therapieverlauf sei positiv. Eine gute Nachricht sei auch, dass sich der Beschwerdeführer bei der Arbeit gut bewähre.

 

Auf Frage, was sie mit einer Verlängerung bezwecke, sagte die Gutachterin aus, dass das, was sie legalprognostisch für sehr relevant halte, noch bearbeitet werden könne, während der Beschwerdeführer in [...] sei. Das seien zum einen die Aspekte der Borderline-Akzentuierung und es seien vor allem die Aspekte der Waffenaffinität. Die Hoffnung sei auch, dass der Beschwerdeführer mit grösseren Lockerungen und mehr Zeit, die ihm zur Verfügung stehe, auch wieder mehr in private Beziehungen, erotisch sexuelle Beziehungen, gehen würde und dass man auch dies im stationären Rahmen begleiten könne. Man müsse bedenken, dass die eigentliche Risikosituation beim Beschwerdeführer noch gar nicht eingetreten sei. Dass er nämlich wieder in einer Partnerschaft sei und es dort krisenhafte Zuspitzungen gebe. Sie sehe erhebliche Probleme, wenn der Beschwerdeführer abrupt in eine Situation entlassen würde, ohne dass er noch täglichen Kontakt zu professionellen Helfern hätte. Was sie überhaupt nicht sehe sei, dass man den Beschwerdeführer in eine eigene Wohnung direkt entlassen könnte oder zu seiner Schwester.

 

Auf den Unterschied zum Gutachten von Dr. B.___ angesprochen, erwähnte die Gutachterin, es gebe da eigentlich keine sehr grossen Widersprüche. Sie seien diagnostisch einig und letzten Endes auch legalprognostisch. Dr. B.___ habe ja auch beschrieben, dass er, wenn das Urteil auch im Hinblick auf das Delikt von 2009 seine Gültigkeit haben solle, die Legalprognose auch eher belastet sehe. Und dann komme er auf die gleiche legalprognostische Belastung wie sie. Der Tatvorwurf im Hinblick auf das Delikt 2009 habe sich dahingehend bzw. dadurch bestätigt, dass sich eben diese Inkonsistenzen im Hinblick auf die Waffen und das Sturmgewehr gezeigt hätten in der Exploration und im Aktenstudium. Insofern gebe es eigentlich keine belangvolle Dissonanz zum Gutachten von Dr. B.___. Bei Annahme des Sachverhalts eines Tötungswillens auch bei der Anlasstat 2009 sei von einer insgesamt eher ungünstigen Prognose auszugehen, das habe Dr. B.___ gesagt. Und dann sollte der Beschwerdeführer eben adäquat weiter behandelt werden. Das heisse schon, dass man in diesem Zusammenhang von längeren Zeiten und intensiverer Therapie ausgehen müsse.

 

9. Gestützt auf diese schlüssigen und fundierten Einschätzungen der Gutachterin geht die Vorinstanz berechtigterweise davon aus, die Voraussetzungen einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus der stationären Massnahme gemäss Art. 59 StGB könnten vorliegend noch nicht als erfüllt erachtet werden. Dem Beschwerdeführer kann noch keine günstige Prognose gestellt werden. Das Arbeitsexternat verläuft zwar sehr positiv und der Beschwerdeführer konnte grosse Fortschritte erzielen, insbesondere was den Umgang mit der Bipolar-II-Störung anbelangt und im Hinblick auf die sehr relevante Medikamentencompliance. In anderen, ebenso deliktrelevanten Bereichen, zeigt er indessen noch Defizite, die bearbeitet werden müssen.

 

Dies gilt gemäss Dr. I.___ zunächst bezüglich der Waffenaffinität. Der Beschwerdeführer sagte dazu vor der Vorinstanz aus, dies sei ausreichend thematisiert worden, Dr. I.___ hat indessen überzeugend ausgeführt, weshalb dies ihrer Meinung nach nicht so ist. Es gebe gravierende Inkonsistenzen diesbezüglich. So sagte der Beschwerdeführer gegenüber der Gutachterin aus, Waffen hätten ihn schon interessiert (in Jugendjahren), er habe Waffen und (illegale) Messer gekauft und diese zum Teil als Dekoration im Zimmer aufgehängt, während er bezüglich der Tat aus dem Jahr 2009 erwähnte, er habe damals noch kein Sturmgewehr gehabt. Auch bei Dr. B.___ hatte er ausgesagt, er habe nie ein Sturmgewehr besessen, er sei nie vor der Tür von F.___ mit einer geladenen Waffe gestanden und könne nicht verstehen, wenn das Gericht aufgrund der Berichte und der festgehaltenen Befunde im Arztbericht davon ausgehe, dass dies so gewesen sei. Tatsächlich gibt es aber einen Kaufvertrag über ein Sturmgewehr, datiert vom 16. April 2008 (Gutachten S. 43, 46). Schliesslich führte er bei der Tat im Jahre 2012 eine Pistole, Gasmaske, Schlagringe, Pfefferspray und Kabelbinder mit. Dr. I.___ geht daher berechtigterweise davon aus, dass dieser gesamte Bereich ebenso wie frühere Tötungsfantasien umfassend thematisiert werden müssten. Denn hinsichtlich Waffenaffinität stünden verleugnende Tendenzen, Rationalisierungen und Bagatellisierungen neben einem teilweise offenen Bericht und dezidierten Falschaussagen (Gutachten S. 78). Auch anlässlich der Hauptverhandlung vor Vorinstanz hat sie nochmals darauf hingewiesen, dass es bezüglich dieses Sturmgewehrs einen Kaufvertrag gebe, der ein Jahr vor der Tat im Jahr 2009 datiere, der Beschwerdeführer dies aber dezidiert verneine. Wenn die Waffenaffinität so viel bearbeitet worden wäre, wie dies der Beschwerdeführer erwähne, sei es für sie nicht schlüssig, weshalb er es nicht wisse. Ein anderer Punkt, der die Waffenaffinität angehe, sei die Handhabung von Gasmaske, Butterfly-Messer, Kabelbinder, die er bei den Delikten im Jahr 2012 mitgeführt habe und wo er ihr gegenüber gesagt habe, dass dies immer schon so zusammengepackt im Auto gewesen sei, was nicht zutreffe. Da müsse man sich fragen, weshalb. Weshalb führe er all diese Dinge mit sich. Das klinge unklar und der Beschwerdeführer habe sich damit offenkundig vorher nicht auseinandergesetzt. Für diese Thematik habe sie eine längere Zeit veranschlagt, in einer stabilen therapeutischen Situation, da damit letzten Endes so viel verbunden sei (Hauptverhandlung, Rz 122 ff., 195 ff.).

 

Ebenso sieht Dr. I.___ noch Therapiebedarf bezüglich der Borderline-Persönlichkeitsdisposition. Diesbezüglich erwähnt der Beschwerdeführer, er denke, dass dies zugetroffen habe, als er jung gewesen sei, jetzt, also im Alltag, merke er nichts davon (Aussagen an der Hauptverhandlung vor Vorinstanz Rz 186 ff.). Dr. I.___ ist indessen der Auffassung, diese Aspekte müssten noch bearbeitet werden, zum Beispiel im Hinblick auf die Auswirkungen der Borderline-Persönlichkeitsdisposition auf die lebensgeschichtliche Entwicklung, insbesondere aber im Hinblick auf die schwerwiegenden deliktrelevanten Aspekte und die Risikofaktoren, die zu einer neuerlichen Regression auf Borderline-Niveau beitragen könnten. In der Exploration sei der Eindruck entstanden, dass sich der Beschwerdeführer bislang relativ ausschliesslich auf die mit der Bipolar-II-Störung verbundenen Risikofaktoren fokussiert habe (Gutachten S. 84). Vor der Vorinstanz führte sie aus, ein zentrales, dynamisches Problem bei der Borderline-Persönlichkeitsakzentuierung sei dieses Gefühl von innerer Leere. Dies sei damals delikt-dynamisch ein wesentlicher Punkt gewesen; dass der Beschwerdeführer diese innere Leere erlebt habe und diese nicht habe ertragen können und ihn dazu gebracht habe, in der hier bekannten Weise zu reagieren. Dass er sich jetzt im Alltag so viel auflade, nicht nur die Arbeit, sondern auch die Zusatzausbildung, sei unter therapeutischen Aspekten eher schwierig und es mache sehr den Eindruck, als wenn es weiter darum ginge, sich mit sehr viel Aktion einer inneren Leere nicht stellen zu müssen (Rz 105 ff.). An anderer Stelle weist die Gutachterin darauf hin, dass beim Beschwerdeführer trotz der sehr hohen Valproat-Medikation, die er habe, doch eine hohe Emotionalität und hohe Frustrationsbereitschaft vorhanden sei, die er auch äussere, mitunter in einer heftigen Weise, wütende, teils auch hasserfüllte Äusserungen. Er entlade sich quasi und danach sei es auch wieder gut. Dies sei ein Bereich, wo man sehen könne, dass noch viel an heftiger Auswindbarkeit vorhanden sei, wie man es bei einer Borderline-Disposition, wie er sie habe, auch erwarten könne. Das müsse man weiter beobachten (Rz 64 ff., vgl. dazu auch die Ausführungen in der Vollzugskoordinationssitzung 7 vom 10. Mai 2023).

 

Zusammenfassend kann der Beschwerdeführer somit noch nicht aus dem stationären Vollzug der Massnahme bedingt entlassen werden. Die Prognose in Bezug auf Gewaltdelikte erscheint immer noch belastet. Die Gutachterin geht wie erwähnt betreffend das Rückfallrisiko hinsichtlich erneuter Anklagen und Verurteilungen wegen eines Gewaltdelikts bei der Risikogruppe 4, zu der der Beschwerdeführer nach dem VRAG zuzuordnen ist, innerhalb von 7 Jahren von 17 % und innerhalb von 10 Jahren von 31 % aus. Das Auftreten der erwähnten Risikofaktoren (konflikthafte Beziehungssituation, Absetzen der Medikation, neuerlicher Cannabiskonsum, Regression der Borderline-Symptomatik) ist unter den konkreten, kontrollierten Bedingungen zwar gering, dies wäre es aber nicht bei einer sofortigen (bedingten) Entlassung. Die erwähnten Thematiken sind daher vorgängig noch zu bearbeiten. Dass der Beschwerdeführer therapiefähig und auch therapiewillig ist, bedarf keiner weiteren Begründung, auch wenn er (verständlicherweise) eine gewisse Therapiemüdigkeit geltend macht. Es ist davon auszugehen, dass sich die erwähnten Problematiken in einer weiterführenden Therapie bearbeiten lassen. Mit einer Weiterführung der Massnahme sind demnach Behandlungsfortschritte zu erwarten, womit die Gefahr erneuter mit der psychischen Störung des Beschwerdeführers in Zusammenhang stehender Verbrechen oder Vergehen verringert werden kann. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der stationären Massnahme nach Art. 59 StGB sind demnach gegeben.

 

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch die Konkordatliche Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KoFako) anlässlich ihrer Sitzung vom 25. Juli 2022 beim Beschwerdeführer zwar eine insgesamt günstige Entwicklung feststellte, insbesondere aber sein Dominanzfokus, seine erhöhte Kränkbarkeit, seine dysfunktionale Beziehungsgestaltung und seine Waffenaffinität sowie die nach wie vor vorhandenen rigiden Ansichten (Frauenbild) im therapeutischen Prozess weiter thematisiert und bearbeitet werden müssten.

 

10. Zu prüfen bleibt die Verhältnismässigkeit der Massnahmenverlängerung.

 

Im Rahmen der stationären Massnahme sind zunächst die Themenbereiche der Waffenaffinität und der Borderline-Persönlichkeitsdisposition therapeutisch zu bearbeiten. Weiter sind die geplanten Vollzugslockerungen bzw. das WAEX aufzugleisen und zu begleiten und schliesslich das Wohnen in einer eigenen Wohnung. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Frühjahr dieses Jahres in ein Wohnexternat übertreten kann. Sollte dieses – und auch weiterhin das Arbeitsexternat – sowie die Bearbeitung der Problematiken der Waffenaffinität und der Borderline-Akzentuierung gut verlaufen, könnte er nach rund eineinhalb Jahren in eine eigene Wohnung umziehen, d.h. im Herbst 2025. Dieser Zeithorizont erlaubt eine gewissenhafte Begleitung. Mögliche Risikofaktoren, die mit dieser Lockerung verbunden sind, könnten beobachtet und wenn nötig bearbeitet werden. Es rechtfertigt sich aber auch, die Begleitung und Überprüfung noch während eines weiteren Jahres nach dem Einzug in eine eigene Wohnung aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer mit diesen Öffnungen adäquat umgehen kann. Es ist zu berücksichtigen, dass die eigentliche Risikosituation beim Beschwerdeführer noch gar nicht eingetreten ist, nämlich, dass er wieder eine Partnerschaft eingeht und es in dieser eine krisenhafte Zuspitzung geben könnte (die Ehe resp. Scheidung von J.___ erfolgte im geschlossenen Massnahmenvollzug). Auch in beruflicher Hinsicht könnte es Schwierigkeiten geben, bezüglich derer es wichtig wäre, dass sich der Beschwerdeführer noch an professionelle Helfer und Unterstützer wenden kann resp. diese eingreifen können, wenn sich eine ungünstige Entwicklung abzeichnen sollte. Schliesslich könnte während dieser Zeitdauer allenfalls auch ein Versuch mit einer Reduktion der Valproatdosis unternommen werden. So ist mit der Gutachterin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Freiheit auf längere Sicht angesichts der von ihr geschilderten Nebenwirkungen wohl kaum eine derart hohe Dosis wird aufrechterhalten wollen. Auf diese Weise könnte die Reduktion noch unter entsprechender Begleitung erprobt werden (vgl. Einvernahme der Gutachterin vor Vorinstanz Rz 81 ff.).

 

Die Verlängerung der Massnahme um drei Jahre erweist sich daher als verhältnismässig. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Art und Schwere der drohenden Straftaten bzw. der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie des Ausmasses der diesbezüglichen Rückfallgefahr.

 

Ergänzend anzufügen ist, dass der Beschwerdeführer, bei aller Härte, die er angesichts einer Verlängerung der Massnahme empfindet, zu beachten hat, dass er bereits grosse Freiheiten geniesst. Er hat Beziehungs- und Sachurlaube. Er befindet sich in einem Arbeitsexternat, absolviert eine Zusatzausbildung, es ist in Bälde ein Wohnexternat geplant und dann ein Umzug in eine eigene Wohnung. Selbstverständlich ist dabei zu berücksichtigen, dass dies in erster Linie aufgrund seines eigenen Engagements so ist und weil er in Bezug auf eine Medikamenteneinnahme eine grosse Compliance zeigt. Nichts desto trotz kann nicht von einer übermässig grossen Einschränkung gesprochen werden, wenn eine Verlängerung der Massnahme erfolgt; dies insbesondere auch im Kontext einer 19-jährigen Freiheitsstrafe.

 

11. Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde folglich als unbegründet. Der Nachentscheid des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 30. Oktober 2023 ist zu bestätigen.

 

12. Gemäss Art. 103 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) hat eine allfällige Beschwerde in Strafsachen im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung, wenn sie sich gegen einen Entscheid richtet, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht. Für diesen Fall ist somit Sicherheitshaft anzuordnen, zu vollziehen im bisherigen Setting des Massnahmenvollzugs und mit den erwähnten Vollzugslockerungen.  

 

13. Gemäss Art. 428 Abs. 1 StPO tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittel-verfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung befindet die Rechtsmittelinstanz auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung, wenn sie selber einen neuen Entscheid fällt (reformatorischer Entscheid).

 

Der Beschwerdeführer unterliegt, sodass er kostenpflichtig wird. Das Nachverfahren vor Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt und das Beschwerdeverfahren sind Folge der ursprünglichen Straftat. Eine adäquat kausale Verursachung der Kosten durch den Beschwerdeführer ist daher gegeben. Er hat folglich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von total CHF 6'970.00 und die Kosten des vorliegenden Verfahrens von total CHF 1'800.00 zu bezahlen.

 

Eine Parteientschädigung ist bei diesem Ergebnis nicht zuzusprechen, weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das vorliegende Beschwerdeverfahren (Advokat Stefan Suter ist privater Verteidiger des Beschwerdeführers).

 

 

Demnach wird beschlossen:

 

1.    Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.    Die für A.___ mit Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 4. November 2015 angeordnete und mit Entscheid des Amtsgerichts von Bucheggberg-Wasseramt vom 18. Februar 2020 um drei Jahre verlängerte stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB wird mit Wirkung ab 4. November 2023 um drei Jahre verlängert.

3.    Für den Fall, dass gegen diesen Beschluss eine Beschwerde in Strafsachen erhoben wird, wird zur Sicherung des Massnahmenvollzugs Sicherheitshaft angeordnet, zu vollziehen im bisherigen Setting des Massnahmenvollzugs.

4.    A.___ hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens mit einer Staatsgebühr von CHF 4'000.00, total CHF 6'970.00, zu bezahlen.

5.    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens von total CHF 1'800.00 hat A.___ zu bezahlen.

6.    Dem Beschwerdeführer steht weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für dasjenige vor Obergericht, Beschwerdekammer, eine Parteientschädigung zu.

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Erhalt des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist beginnt am Tag nach dem Empfang des begründeten Urteils zu laufen und wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Art. 78 ff. und 90 ff. des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

Im Namen der Beschwerdekammer des Obergerichts

Der Präsident                                                                    Die Gerichtsschreiberin

Frey                                                                                  Ramseier